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Foto: picture alliance/dpa/Getty Images Europe/Pool | Alex Grimm
Foto: picture alliance/dpa/Getty Images Europe/Pool | Alex Grimm

Lübcke-Prozess: Tag 35

Antworten und Widersprüche

Stephan Ernst stellte sich am 35. Verhandlungstag den Fragen der Familie Lübcke. Und wie so häufig in diesem Prozess bringen Ernsts neue Antworten auch neue Widersprüche mit sich. Ein Urteil wird definitiv nicht mehr in diesem Jahr fallen.
„Ist es wirklich wahr, dass mein Mann in dem letzten Moment seines Lebens in das Gesicht von Markus H. gesehen hat?“ Irmgard Braun-Lübcke richtet diese Frage am Donnerstag mit klarer Stimme an Stephan Ernst, den mutmaßlichen Mörder ihres Mannes. Es ist ein besonderer Moment in diesem Prozess. Nicht nur, weil Stephan Ernst mit fester Entschlossenheit und Irmgard Braun-Lübcke in die Augen schauend diese Frage bejaht, es ist zugleich auch das erste Mal in all den Monaten, dass sich der Mitangeklagte Markus H. während der Verhandlung zu Ernst umdreht und ihn ansieht. „Wirklich?“, fragt Braun-Lübcke noch einmal und auch darauf antwortet Ernst mit einem „Ja“. Wahrscheinlich ist es auch dieser Moment, der die Familie überzeugt. In der Verhandlungspause verkünden Dirk Metz und Holger Matt, Sprecher und Anwalt der Familie Lübcke, dass die Familie von der Wahrheit der Aussagen, und damit auch von der Mittäterschaft Markus H.s, überzeugt seien.

Ernst hatte vor Beginn des Verhandlungstages angekündigt, die Fragen der Familie Lübcke beantworten zu wollen. Fragen, die die Familie immer noch umtreiben und eine Verarbeitung des Geschehens umso schwerer machen: Wann haben Sie bei Ihren Besuchen in Istha eine Waffe dabeigehabt, abgesehen vom Tatabend? Hat es ein Gespräch zwischen Ihnen und Walter Lübcke gegeben? Warum konnte Walter Lübcke sich nicht wehren? Bevor Ernst teilweise unter Tränen, schniefend und sich am Mikrofon festhaltend diese und weitere Fragen am Donnerstag beantwortet, liest er eine schriftlich formulierte Erklärung vor: „Ich möchte sagen, dass diese furchtbare Tat und dieses unermessliche Leid nicht wieder gutzumachen sind.“ Seine Teilnahme am Aussteigerprogramm „Ikarus“ solle daher auch nicht als Wiedergutmachung gewertet werden. Vielmehr gehe es ihm darum, sich aus dem rechtsextremistischen Umfeld zu lösen, das ihn „jahrelang geprägt“ habe. Auch wolle er dem entgegentreten, was die Tat in rechtsextremen Kreisen ausgelöst habe.

Die Antworten, die Ernst auf die Fragen der Familie gibt, bringen keine neuen Erkenntnisse. Dafür jedoch – wie so häufig in diesem Prozess – werfen sie durch Widersprüche und Ungereimtheiten neue Fragen auf. „Es drängen sich an das, was wir heute gehört haben, sehr viele Fragen auf“, sagt der Vorsitzende Richter Thomas Sagebiel im Anschluss. Der Senat will Ernst in den kommenden Prozesstagen nun noch einmal befragen. Somit ist ein Prozessende im Dezember nicht mehr möglich.

Ermittlungsrichter beschreibt Mitangeklagten als kalt und abgeklärt

Geladen war an diesem Tag auch Marc Wenske, Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof, der im Juni 2019 Markus H. den Haftbefehl verkündet hat. Wenske, oder zumindest seine Stimme, ist Prozessbegleiter:innen nicht ganz unbekannt: Am dritten Prozesstag wurde in der Verhandlung das Video einer Vernehmung vom Januar gezeigt, in der Stephan Ernst sein erstes Geständnis zurücknahm und eine neue Version des Tathergangs präsentierte. Dem Mann, dem er den Tatablauf schilderte, war Wenske. Bereits da hatte der Ermittlungsrichter von dem ungewöhnlichen Verhalten des Mitangeklagten erzählt. Als Wenske Markus H. den Haftbefehl vorgelesen hatte, habe H. erstaunt gefragt, warum ihm „nur“ Beihilfe zum Mord vorgeworfen werde und nicht auch eine Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung.

Wie Wenske am Donnerstag berichtet, sei auch das Verhalten von H. ungewöhnlich gewesen. Die Kälte und Abgeklärtheit, mit der Markus H. ihm gegenübergetreten sei, habe ihn überrascht, erklärt er. Als ein SEK-Beamter dem gefesselten Markus H. Hilfe dabei angeboten habe, den Haftbefehl in eine Klarsichtfolie zu stecken, habe H. mit „gespielter Freundlichkeit“ gefragt: „Würden Sie das für mich tun?“ Wenske habe diese Überheblichkeit irritiert: „Dieses Verhalten zusammen mit der Frage nach einer terroristischen Vereinigung – das habe ich nie vergessen.“
 
4. Dezember 2020, 12.40 Uhr
Elena Zompi
 
 
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