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Foto: Harald Schröder
Foto: Harald Schröder

Interview zur neuen Altstadt

Ein Stück Heimat

Seit 2009 ist Michael Guntersdorf als Geschäftsführer der DomRömer GmbH für die Altstadt verantwortlich. Jetzt zieht der 67-jährige Projektleiter Bilanz.
JOURNAL FRANKFURT: Welchen Bezug hatten Sie eigentlich vor dem Großprojekt zur Altstadt?

MICHAEL GUNTERSDORF: Ich bin schon als Jugendlicher gerne auf Spurensuche gegangen, in Frankfurt und auch in Kassel. Dort standen noch die Erdgeschosse der Altstadt. Aber ich wusste früher nicht, dass die Frankfurter Altstadt mal aus einer solchen Dichte aus Häusern bestanden hat. Den ersten Schreck hatte ich, als Anfang der Siebzigerjahre die Tiefgarage auf dem Areal gebaut wurde und aus dem Boden solche Höcker herausragten. Dann kam der Bau des Historischen Museums und des Technischen Rathauses: Das hat mich damals wirklich geschockt. Ich dachte: Da geht etwas schief und damals war ich noch nicht mal Architekt. Es gab eine großflächige Verunsicherung beim Umgang mit der Altstadt, und das wurde den Leuten bei der Bebauung auch bewusst. Frankfurt hat jahrzehntelang seine Innenstadt vernachlässigt. Das Technische Rathaus stand in der historischen Mitte Frankfurts. Die meisten erinnern sich nur noch an den Kiosk mit der Bindingwerbung und an das Langnesefähnchen, weil es außer einem schlechten Chinesen das einzige Highlight dort war. Hier wurde ein Stück Chance für die Innenstadt vertan.

Schon vor dem Krieg wurde um die Altstadt gerungen …

Die Altstadt war schon in den 20er-Jahren bei den Frankfurtern und den Touristen ein Thema und dann auch bei den Nazis. Die haben im Zuge der Altstadtgesundung Höfe entkernt und Anbauten abgerissen. Letztlich betrieben die Nazis eine Gentrifizierung, denn sie haben so unliebsame Leute vertrieben. Es gab in der Altstadt vereinzelt ein paar sehr schöne Gebäude, die man auch auf Postkarten wiederfand, aber auch welche, die weniger erhaltenswürdig waren oder keine Wohnqualität hatten. Ein Bewusstsein für die Altstadt war in Frankfurt aber schon da. Nicht umsonst wurde das Areal bis in die Sechzigerjahre hinein nicht bebaut. Und dann entschied sich die SPD für die Bebauung des Samstagbergs, die Ostzeile des Römerbergs entstand. Das Image der Stadt war damals katastrophal und man hatte gemerkt, dass die Stimmung der Bevölkerung kippt. Den Leuten ist die Heimat verlorengegangen, ihnen ging die Identität abhanden. Das zeigt auch, wie wenig sensibel die Stadtplaner waren.

Aber dann kam die Rekonstruktion der Ostzeile, ein Vorläufer der neuen Altstadt?

Ja, aber man erkennt im Vergleich zu den neuen Rekonstruktionen, dass die Umsetzung der handwerklichen Qualität und der Detailverliebtheit damals nicht so gelungen ist. Aber ich muss sagen, dass man sich jetzt bei der Renovierung sehr viel Mühe gemacht hat. Jetzt kriegt es langsam eine Form.

Für Touristen wird die Altstadt eine Attraktion, aber was bringt sie den Frankfurtern?

Wir haben ein Stück Stadtreparatur betrieben. Wer sich für die Geschichte der Stadt interessiert, der erfährt beim Rundgang viel über Frankfurt. Man kann die Geschichte an den Häusern ablesen und bekommt ein ganz anderes Verständnis für die Stadt.

Nicht alle sind von der Altstadt begeistert, wie gehen Sie damit um?

Ich werde oft auf der Straße angesprochen und viele sagen, wie toll sie die Altstadt finden. Es gibt eigentlich nur wenige Kritiker. Aber viele Kritik entbehrt jeder Grundlage. Disneyland etwa kopiert ja Altstädte wie unsere und nicht umgekehrt. Da muss man schon die Kirche im Dorf lassen. Zeigen Sie mir in Deutschland einen Platz aus den letzten 70 Jahren, der die Qualität des Hühnermarkts hat. Auch Vergleiche mit dem Hessenpark sind nicht zutreffend. Dort hat man genau die Anmutung, die wir nicht wollten. Dass es nämlich aussieht wie gewollt und nicht gekonnt. Der Hessenpark ist eine gute Einrichtung, aber dagegen können wir locker anstinken.

Warum gibt’s nicht mehr Rekonstruktionen?

Wir hätten noch mehr rekonstruieren können. Aber von 35 Häusern wären nur 25 ernsthaft nutzbar gewesen. Es sollte eine Mischung aus alt und neu werden, das war mein Credo. Man soll die Chronologie der Stadt erleben. Es soll mehr sein als eine Momentaufnahme vom 22. März 1944.

Haben Sie einen Lieblingsort in der Altstadt?

Ich mag den Blick vom Hühnermarkt zum neuen Eingang des Kunstvereins. Hier sieht man das Nebeneinander von Alt und Neu, so hatte ich mir das vorgestellt.

Würden Sie heute alles genauso machen?

Ich war bis Oktober 2015 nur Halbzeit beschäftigt. Zurückblickend hätte ich
das Vollzeit machen sollen, denn vieles hätte besser laufen können.Von der Idee der Umsetzung bis zu den Prüfungs­instanzen. Ich hätte geklärt, welchen Einfluss welche Instanzen haben: Aufsichtsrat, Sonderausschuss, Gestaltungsbeirat und Politik – entsprechend schwierig war es, Entscheidungen zu treffen. Man kann einer Gesellschaft wie der DomRömer GmbH nicht die Verantwortung übertragen, aber ihr die Kompetenz absprechen. Da redet jeder mit, aber das verursacht oft auch Kosten und Zeitverschiebungen.

Wie stehen Sie zur Altstadterweiterung?

Der Verein „Pro Altstadt“ wünscht sich mehr Rekonstruktionen. Es gibt auch Ideen, den U-Bahn-Abgang mit einer Rekonstruktion zu verstecken. Ich finde, das Loch sollte verschwinden, damit das alte Gassennetz wieder ablesbar ist. Es ist ein städtebauliches Niemandsland bei der Schirn. Eine Bebauung dort würde die Anbauten hinter der Ostzeile erst verständlich machen. Rekonstruktionen würden allerdings die bisherige neue Altstadt entwerten. Es wäre fatal, die Altstadt planmäßig weiterzubauen. Die Altstadt zeigt im Umfeld von Dom, Schirn und Römer die Identität der Stadt. Die Leute verstehen die Altstadt viel mehr. Hier dient Architektur als Erklärung für Frankfurt. Das hat einen didaktischen Wert. Das Verständnis dafür kommt beim Durchschreiten der Altstadt.

Dieser Text erschien ursprünglich in der Printversion des JOURNAL FRANKFURT, Ausgabe 09/2018.
 
27. September 2018, 10.06 Uhr
Nicole Bevoord
 
Nicole Brevoord
Jahrgang 1974, Publizistin, seit 2005 beim JOURNAL FRANKFURT als Redakteurin u.a. für Politik, Stadtentwicklung, Flughafen, Kultur, Leute und Shopping zuständig – Mehr von Nicole Brevoord >>
 
 
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