Newsletter
|
ePaper
|
Apps
|
Abo
|
Shop
|
Jobs
Foto: Unsplash
Foto: Unsplash

IDAHOBITA 2022

Das L-Wort

Frauen werden in unserer Gesellschaft benachteiligt. Aber wie steht es um die Situation lesbischer Frauen im Arbeitsleben? Studien dazu gibt es bislang eher wenige. Die Frankfurt University of Applied Sciences lieferte vergangenes Jahr Erkenntnisse.
Was haben Jodie Foster, Anne Will und Hella von Sinnen gemeinsam? Sie sind erfolgreiche lesbische Frauen. Dabei haben es Frauen gerade im Berufsleben immer noch schwer: Sie müssen sexistische Kommentare mithören, verdienen im Schnitt 18 Prozent weniger als Männer und arbeiten häufiger in Teilzeit, um Familie und Job zu vereinbaren. Lesbische Frauen erfahren Diskriminierung gar auf zweifacher Ebene. Sie sind nicht nur von Sexismus, sondern auch von Homofeindlichkeit betroffen. Intersektionale Diskriminierung lautet der Fachbegriff dafür.

Ein Forscher:innenteam unter der Leitung von Regine Graml und der Mitwirkung von Tobias Hagen sowie Yvonne Ziegler von der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) hat sich vergangenes Jahr genau diesem Thema gewidmet. „Bisher gibt es nur wenige Studien über die besondere Situation berufstätiger lesbischer Frauen, die meisten untersuchen entweder die Karrieremöglichkeiten von Frauen oder diejenigen von homosexuellen Menschen“, erläutert Graml, die als Betriebswirtin seit vielen Jahren an der Frankfurt UAS zu Genderthemen im Kontext von Management und Leadership forscht und lehrt.

Welche Chancen haben lesbische Bewerberinnen?

In der Studie „The L-Word in Business“ hat das Team die Bewerbungschancen lesbischer Frauen untersucht und sie zu ihrer Zufriedenheit im Job befragt. Initiiert wurde „The L-Word in Business“ von den Wirtschaftsweibern – einem bundesweiten Netzwerk für lesbische und erfolgreiche Frauen; gefördert wurde das Projekt von der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld (BMH). Die Macher:innen haben die Studie in den Jahren 2017 und 2019 an der Frankfurt UAS durchgeführt. Im ersten Teil haben die Forscher:innen ein Korrespondenzexperiment angestellt: Sie haben fiktive Bewerbungen erstellt, die teils Hinweise auf das Lesbischsein der erdachten Bewerberin gaben, wie etwa durch Angabe des Familienstands „eingetragene Lebenspartnerschaft“ oder das Engagement in einem LSBTIQ*-Verein („LSBTIQ*“ steht für „lesbisch, schwul, bisexuell, trans-, intergeschlechtlich und queer). Währenddessen enthielt der Lebenslauf der heterosexuellen Job-Anwärterin den Familienstand „verheiratet“. Insgesamt wurden 294 identische Bewerbungen verschickt, jeweils zur Hälfte für die lesbische und die heterosexuelle Bewerberin. Die Auswertung hat gezeigt, dass die der homosexuellen Kandidatin ein Drittel weniger positive Rückmeldungen wie Einladungen zu Interviews, Nachfragen oder alternative Stellenangebote erhalten hat.

„Diese Tendenz zur Diskriminierung der lesbischen Bewerberin im Vergleich zur heterosexuellen Bewerberin ist vor dem Hintergrund erstaunlich, dass die heterosexuelle Bewerberin verheiratet und kinderlos ist“, erläutert Graml. „Nach heteronormativen Vorstellungen ist bei einer jungen, heterosexuellen, verheirateten Frau in absehbarer Zeit mit einer kinderbedingten Erwerbsunterbrechung und eventuell längerfristig reduzierter Arbeitszeit und mehr Ausfalltagen zu rechnen.“ Ablehnung einer homosexuellen Bewerberin trotz stereotyp anzunehmender geringerer Mutterwahrscheinlichkeit – laut Graml sei dies ein Hinweis auf eine Diskriminierungsneigung gegenüber lesbischen Bewerberinnen.

Sexismus vs. Homophobie

Für den zweiten Teil der L-Word-Studie haben die Macherinnen und Macher lesbische und heterosexuelle Frauen online zu ihren Erfahrungen im Berufsleben befragt. In der stichprobenartigen Untersuchung wurden die Antworten von 1952 Befragten (713 lesbisch, 1239 heterosexuell) inhaltlich ausgewertet. „Die Online-Befragung war keine Zufallsauswahl und dementsprechend nicht repräsentativ“, merkt Yvonne Ziegler, eine der Studienmacherinnen, an. Die lesbischen Teilnehmerinnen der Studie seien zudem überdurchschnittlich qualifiziert und zum Großteil in Leitungspositionen gewesen. Ergeben hat die Befragung, dass sich eine deutliche Mehrheit aller Frauen, nämlich 78 Prozent, aufgrund des Geschlechts benachteiligt fühlte. Von Diskriminierungen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung berichteten 51 Prozent der lesbischen Frauen.

Ein Ergebnis, das Ziegler überrascht habe, sei, dass Karrierechancen und attraktive Vergütung lesbischen Frauen weniger wichtig war als Hetero-Frauen. „In der öffentlichen Wahrnehmung mag man manchmal den Eindruck bekommen, dass lesbische Frauen eher stärker karriereorientiert sind“, sagt Ziegler. Eine Erklärung für das widersprechende Studienergebnis könnte darin liegen, dass heterosexuelle Frauen in Paarhaushalten weniger verdienen als ihre Partner; sie sind seltener erwerbstätig und öfter für Haushalt und Kindererziehung zuständig. Eine Erwerbstätigkeit müsse mit hoher Vergütung und Karrierechancen begründet werden.

„Lesben können in kein Rollenklischee fallen“

Weniger überraschend scheinen demgegenüber die Antworten nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Die Unzufriedenheit in diesem Punkt war bei den Hetero-Frauen höher als bei den Lesben. Das könne daran liegen, dass viele Hetero-Beziehungen vergleichsweise nicht so partnerschaftlich organisiert seien, vermutet Ziegler. „In einer gleichgeschlechtlichen Beziehung gibt es kein Rollenklischee, in das man fallen kann – nach dem Motto: Der Mann arbeitet und die Frau kümmert sich um die Kinder. Dieses Bild wird in klassischen Hetero-Beziehungen nach wie vor gesellschaftlich suggeriert“, stellt die Forscherin fest. Das falle bei einer Beziehung zwischen zwei Frauen weg, so Ziegler.

Eine wesentliche Erkenntnis der Befragung ist, dass lesbische Frauen Diskriminierung am Arbeitsplatz öfter aufgrund ihres Geschlechts erfahren (38 Prozent) als aufgrund ihrer sexuellen Identität (16 Prozent). „Unsere Studie liefert Hinweise dafür, dass lesbische Frauen sowohl beim Berufseinstieg durch Auswahlverfahren diskriminiert werden als auch im Laufe ihrer Berufstätigkeit. Dabei ist das Ergebnis interessant, dass lesbische Frauen häufiger Diskriminierung aufgrund des Geschlechts erleben als aufgrund ihrer sexuellen Identität.“, resümiert Graml.

Das bestätigt auch Sandra P.*, die gerne anonym bleiben möchte. Die lesbische Frau arbeitet als Softwareentwicklerin in einem IT-Unternehmen und beklagt sich weniger über homophobe Äußerungen: „Ich habe im Berufsleben eher Benachteiligungen auf der Grundlage, dass ich eine Frau bin erfahren, als auf der meiner sexuellen Orientierung“, sagt die 29-Jährige. Bisher habe sie in der IT-Branche noch nie Diskriminierungen erlebt – obwohl sie auf einem männerdominierten Feld arbeitet. Sexismus habe sie allerdings in einem Nebenjob in ihrer Studienzeit als Verkäuferin hinter einer Ladentheke vor einigen Jahren erfahren: „Ich hatte zwei männliche Kollegen, die unangebrachte Frauenwitze gerissen und mich da mit reingezogen haben“, erinnert sich die Frau.

Sandra P. ist in ihrem IT-Job out – das heißt, dass sie offen zu ihrem Lesbischsein steht. „Ich mache keinen großen Hehl aus meiner sexuellen Orientierung, schmücke mich aber auch nicht damit“, sagt sie. Steuere ein Gespräch auf das Partner:innenthema zu, dann erkläre sie schon, dass sie mit ihrer Freundin zusammenlebt und auf Frauen steht. „Ansonsten habe ich aber nicht das Bedürfnis, das im professionellen Kontext stark zu betonen“, sagt sie.

Homophobe Reaktionen darauf, dass sie lesbisch ist, habe sie bisher noch nie erhalten. Häufig geschehe aber Folgendes: „Wenn ich meine Freundin, mit der ich auch zusammenwohne, erwähne, denken viele Leute automatisch, ich würde einfach nur mit einer guten Freundin in einer WG zusammenleben. Wenn ich das dann richtigstelle, schafft das einen seltsamen Moment“, findet Sandra P. Da bestehe eine heteronormative Erwartungshaltung, vermutet sie.

In oder out?

Im Gegensatz zu Sandra P. gibt es einige Frauen, die an ihrem Arbeitsplatz nicht out sind – sie verheimlichen ihre sexuelle Identität oder geben sogar vor, hetero zu sein. In der L-Word-Studie waren es acht Prozent der befragten Personen. „Lesbische Frauen möchten gerne out sein und benötigen dafür das entsprechende Arbeitsumfeld, in dem sie so sein können, wie sie sind.“, sagt Yvonne Ziegler. Deshalb sei es für sie bei der Jobsuche wesentlich, dass Unternehmen für Diversität offen sind und die LSBTIQ*-Community akzeptieren. Prinzipiell gebe es Diskriminierung gegenüber Frauen nach wie vor in deutschen Unternehmen – „wahrscheinlich etwas stärker auf der sexistischen Ebene, weil das Geschlecht einfach etwas offensichtlicher ist als die sexuelle Orientierung“, vermutet die Forscherin.

Was können Arbeitgeber:innen also tun, um ein freundliches Klima nicht nur für lesbische Frauen, sondern für alle diskriminierten Gruppen herzustellen? Die Studie gibt dazu konkrete Handlungsanweisungen: „Es ist wichtig, dass Firmen auf den ‚Unconscious Bias‘ hinweisen“, weiß Ziegler. Darunter verstehe man unbewusste Stereotype, die zu diskriminierenden Handlungen führen, denn Diskriminierung finde in der Regel nicht bewusst oder vorsätzlich statt. Dafür gebe es spezielle Trainings, in denen Stereotype umgekehrt werden, um klarzumachen, wie absurd sie sind. Dem Unconscious Bias könnten auch anonymisierte Einstellungsverfahren entgegenwirken. Dadurch rückten die Qualitäten der Bewerberinnen in den Vordergrund. Zudem sei die Schaffung von LSBTIQ*-Netzwerken innerhalb von Unternehmen förderlich, um Diskriminierung vorzubeugen und Sicherheit für betroffene Personen am Arbeitsplatz zu gewährleisten.

___________________________________________________________________________________


Dieser Text ist zuerst in der September-Ausgabe 2021 des JOURNAL FRANKFURT erschienen.
 
17. Mai 2022, 10.30 Uhr
Katrin Börsch
 
 
Fotogalerie:
{#TEMPLATE_news_einzel_GALERIE_WHILE#}
 
 
 
Mehr Nachrichten aus dem Ressort Stadtleben
Das Stalburg Theater im Frankfurter Nordend steht vor dem Aus. Gründer Michael Herl sprach mit dem JOURNAL über die schwierige Situation nach Corona.
Text: Katja Thorwarth / Foto: Theaterraum im Stalburg Theater © Dirk Ostermeier
 
 
 
 
 
 
 
Ältere Beiträge
 
 
 
 
24. April 2024
Journal Tagestipps
Pop / Rock / Jazz
  • The Notwist
    Schlachthof | 20.00 Uhr
  • Max Clouth und Entelecheia
    Kulturfabrik Milchsack | 20.00 Uhr
  • Cat Power
    Alte Oper | 20.00 Uhr
Klassik / Oper/ Ballett
  • hr-Sinfonieorchester
    Alte Oper | 19.00 Uhr
  • Klavierabend
    Hochschule für Musik und Darstellende Kunst | 19.30 Uhr
  • Tenors di Napoli
    Kurtheater | 19.30 Uhr
Theater / Literatur
  • Elias Hirschl
    Literaturforum im Mousonturm | 19.30 Uhr
  • Katja Riemann
    Literaturhaus Villa Clementine | 19.30 Uhr
  • Disney in Concert – Believe in Magic
    Festhalle | 20.00 Uhr
Kunst
  • Armamentaria
    Römerkastell Saalburg | 09.00 Uhr
  • Anita Esfandiari
    Heussenstamm. Raum für Kunst und Stadt | 14.00 Uhr
  • Anna Goschin und Felicithas Arndt
    Barbara von Stechow | 18.00 Uhr
Kinder
  • Deine Kämpfe – Meine Kämpfe
    Schauspiel Frankfurt | 20.00 Uhr
  • Kannawoniwasein – Manchmal muss man einfach verduften
    Staatstheater Mainz | 10.00 Uhr
  • Schirn Studio. Die Kunstwerkstatt
    Schirn Kunsthalle Frankfurt | 16.00 Uhr
Freie Stellen