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Foto: red
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Günthersburgpark: Grüne Lunge

Mehr als eine Grünanlage

Für manche eine grüne Oase, für andere ein dickes Geschäft: Die Grüne Lunge in Bornheim am Günthersburgpark könnte 1500 Wohnungen zum Opfer fallen. Ein Besuch offenbart: Es geht um mehr als ein paar Wiesen und Zäune.
Ungefähr einmal in der Woche führt Peter Beckmann, Aktivist bei der Bürgerinitiative für den Erhalt der Grünen Lunge, Besucherinnen und Besucher durch die verwunschenen Wege der Grünen Lunge. Kein Gartenzaun und kein Eingangstor gleicht dem anderen, keine Pflanzenbeete, die in Reih und Glied stehen. Stattdessen bunte, aus Sperrholz gebaute Hütten, wilde Wiesen und eben nicht dieses unterschwellige Gefühl einer gebändigten Natur, wie es einen meist in einer Kleingartensiedlung überkommt. Häufig würden Besucherinnen und Besucher die Grüne Lunge dennoch für einen Kleingartenverein halten. „Das sind wird aber nicht“, erklärt Peter Beckmann. Es gebe einen Streifen, in dem sich ein Kleingartenverein befindet, den erkenne man direkt daran, dass er ein wenig geordneter aussieht als der Rest der Anlagen. Ansonsten handele es sich um Freizeitgärten, die als Gemeinschaftsgärten, Kunstateliers und kleine Gemüsefarmen dienen. Gerade während Corona sei die Grüne Lunge ein Ort, an dem sich trotz Social Distancing Zeit miteinander verbringen lasse; Kinder erhalten eine Möglichkeit, zu spielen, das Homeoffice kann nach draußen verlegt werden.

Über enge Trampelpfade geht Beckmann mit seinen Gästen an vielen leerstehenden Gärten vorbei, an solchen, wo Gartenhütten abgerissen wurden, damit sich keine Obdachlosen ansiedeln und solche, welche die Eigentümer lieber verwildern lassen, statt sie an jemanden zu vermieten. Viele ließen sich deshalb auch einfach unerlaubt nieder. „Der Garten wird von den Eigentümerinnen und Eigentümern nicht genutzt, also warum sollten es dann andere nicht tun?“, sagt Peter Beckmann. Nur wenn Personen viel Müll produzierten oder sich anderweitig danebenbenehmen würden, müsse man ab und an das Gespräch suchen.


Nur ein kleines Fenster verrät das getarnte Gartenhaus


Vieles an der Grünen Lunge wirkt im ersten Moment so fernab von dem, was Frankfurt sonst tagtäglich repräsentiert, dass man sie fast für eine Illusion halten kann. Ein Ort der Geld, Autoritäten und der Homogenität in jeglicher Hinsicht trotzt – in seiner Flora und Fauna und durch die, die sie bewohnen. Und noch wirken die 1500 Wohnungen der sogenannten „Günthersburghöfe“, die der Magistrat auf der 16 Hektar großen Fläche bauen lassen will, sehr weit weg.

Doch die ersten Anzeichen sind auch auf dem Rundgang nicht zu übersehen: Hinter einem Maschendrahtzaun blitzt das blaue Logo des Immobilienunternehmens Instone Real Estate hervor, das sich schon einige Landstücke in der Grünen Lunge gesichert hat. „Bodenspekulation“ steht darüber. Instone habe schon mal einer Gartenbesitzerin in ihrem Wohnort Fulda „aufgelauert“, um sie zu fragen, ob sie ihren Garten verkaufen wolle, erzählt Peter Beckmann. „Sie hat abgelehnt. Aber es gibt auch viele, die dem Angebot nachkommen. Eine halbe Million Euro für einen Garten, das überlassen die Besitzerinnen und Besitzer dann auch gerne ihren Enkelkindern.“


Instone Real Estate hinterlässt erste Zeichen in der Grünen Lunge


Wenn Bauland stets den Vortritt hat

Wenige Gärten weiter liegt ein kleiner Sarg aus Styropor, um den Tierfiguren aufgereiht sind. „Den hat die Bürgerinitiative in das Planungsamt getragen, um die Artenvielfalt begraben zu gehen“, sagt der Umweltaktivist mit einem zynischen Grinsen. 72 schützenswerte Arten habe man gemeinsam mit dem Senckenberg Forschungsinstitut ausfindig machen können und gedacht, das reiche aus, um die Grüne Lunge zu retten. „Wenn ich in meinem Garten einen wertvollen Baum fälle oder bestimmte Insekten vernichte, kostet mich das ein Bußgeld. Wenn aber etwas Bauland ist, spielt das alles keine Rolle mehr.“

Auch Tierarten, die auf Hessens Roter Liste stehen, seien dafür nicht Grund genug. So auch der Gartenrotschwanz, der in ganz Hessen nur noch mit rund 2500 bis 4000 Brutpaaren vertreten ist, und von denen vier allein in der Grünen Lunge leben. Gartenrotschwänze nisten überwiegend in Baumhöhlen, die zuvor von anderen Vögeln gebaut und verlassen wurden. Zudem kehren sie nach einem Winter im Sudan immer wieder zu ihren ursprünglichen Brutplätzen zurück. Planungsdezernent Mike Josef (SPD) hatte im Juli angekündigt, für die Gartenrotschwänze andernorts Bäume zu pflanzen, in denen die Vögel nisten könnten. 100 Kirschen sollten auf einer Fläche von rund zwei Hektar in Seckbach angepflanzt werden. 14 Hektar weniger als den Vögeln aktuell zur Verfügung stehen.

Peter Beckmann wollte sich von dem neuen Platz für die schützenswerte Vogelart selbst ein Bild machen und fuhr zu der Fläche in Seckbach. Dabei habe es ihn schließlich doppelt überrascht: „Die Baumstämme sind nur so dick wie ein mittelgroßer Ast. Nicht mal den Umfang des Nestlocheingangs hätten sie fassen können.“ Und: „Da standen nur 40 Bäume, keine 100. Die Zahl war einfach gelogen und landete dann sogar als Überschrift in einem Artikel der Lokalpresse.“ Er habe schließlich den Autor des Textes kontaktiert und ihm mitgeteilt, dass die Anzahl der Bäume nicht stimme. Dieser habe lediglich geantwortet, dafür keine Zeit zu haben.

Totschlagargument Wohnungsnot

Vonseiten des Magistrats wird damit argumentiert, dass die Wohnungen dringend benötigt werden und die Fläche der Grünen Lunge einen großen Teil davon abdecken könnte. Über die Hecken der Gartenanlagen hinweg deutet Peter Beckmann auf das 14-geschossige Hochhaus der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau), das bereits mitten auf dem Areal der Grünen Lunge steht. „Leer. Seit fünf Jahren steht das Gebäude leer. Warum wohnt beispielsweise dort niemand, wenn die Wohnungsnot so groß ist?“ Stattdessen warte man wie vielerorts in Frankfurt darauf, teuer zu verkaufen. Zwar heiße es, man wolle auch im Falle der Bebauung viel Grün erhalten, dabei gehe es aktuell jedoch lediglich um 30 von 2000 Bäumen. Und allein neues Grün zu schaffen, reiche nicht, erklärt Peter Beckmann. „Die Vorstellung, einfach einen Baum zu pflanzen und damit die Fällung eines anderen auszugleichen, funktioniert so nicht. Die Bodenpilze und die Pflanzen leben in einer Symbiose miteinander und brauchen sich gegenseitig.“


Ein zerstörtes Gartenhaus


Auch Umweltdezernentin Rosemarie Heilig (Bündnis 90/Die Grünen) spazierte schon mit Peter Beckmann durch die Anlage, habe sich interessiert gezeigt und auch gesagt, dass sie den Ort für erhaltenswert halte. „Wir haben in dem Moment aufgeatmet, weil wir dachten, die Grünen in Frankfurt stehen nun auf unserer Seite. Aber so ist es dann leider doch nicht gekommen.“ Von Heilig habe die Bürgerinitiative seitdem nichts mehr gehört, sie beuge sich nun wohl doch der Koalition, bedauert der Umweltaktivist. „Ich dachte immer, die Grünen stehen für die Umwelt ein, ich habe sie deswegen jahrelang gewählt. Dann habe ich gemerkt, dass das gar nicht stimmt.“ Man hoffe, die Partei bis zur Vertragsabstimmung noch auf ihre Seite zu holen, zumindest die Grüne Jugend sei für den Erhalt. Die Linke wird aller Voraussicht dagegen stimmen, das aber reicht nicht für eine Mehrheit. „Unser Magistrat hat kein Wissen von der Natur, hat kein Interesse an der Natur und hat keinen Respekt vor der Natur.“ Im Umweltdezernat spreche man schon seit zwei Jahren nicht mehr über die Grüne Lunge, nur die Bebauung sei jetzt allein im Planungsdezernat Thema, sagt Peter Beckmann.

Doch die Anhängerinnen und Anhänger der Grünen Lunge haben bereits mit den Vorkehrungen in der letzten Instanz begonnen: Im Garten der Aktivistinnen und Aktivisten aus dem Dannenröder Forst thront das erste Baumhaus, und viele, auch besonders viele ältere Freundinnen und Freunde der Grünen Lunge, hätten bereits „die Ketten in der Schublade liegen“, erzählt Peter Beckmann. Den Abenteuerspielplatz habe man retten können, da müsse noch mehr zu machen sein.
 
25. September 2020, 13.14 Uhr
Johanna Wendel
 
Johanna Wendel
Jahrgang 1993, Technikjournalismus-Studium an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, seit Januar 2019 beim Journal Frankfurt. – Mehr von Johanna Wendel >>
 
 
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