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Foto: Europa Verlag
Foto: Europa Verlag

Gespräch mit Franziska Schreiber

Bericht einer AfD-Aussteigerin

Das Enthüllungsbuch „Inside AfD“ von Franziska Schreiber befeuerte kürzlich unter anderem den Skandal um Hans-Georg Maaßen. Bei der Buchmesse hat Schreiber über ihre Motivation gesprochen, der AfD erst bei- und dann öffentlichkeitswirksam wieder auszutreten.
Mit 23 trat Franziska Schreiber in die AfD ein, wurde kurz darauf Vorsitzende der Jungen Alternative (JA) in Sachsen, schließlich sogar Mitglied im Bundesvorstand – und verließ die Partei 2017 kurz vor den Bundestagswahlen, nicht ohne einiges an medialem Interesse zu produzieren. Das sollte noch zunehmen: Im August dieses Jahres veröffentlichte Schreiber ihren Aussteigerbericht „Inside AfD“ im Europa Verlag. Darin stellt sie die zunehmende Radikalisierung der Partei dar und legt offen, welche Machenschaften und Intrigen während ihrer Mitgliedschaft hinter den Kulissen stattfanden. So befeuerte das Buch unter anderem die Debatte um Hans-Georg Maaßen und Frauke Petry. Außerdem war in den ersten drei Auflagen, inzwischen liegt die sechste vor, die Behauptung enthalten, der Thüringer AfD-Landesvorsitzende Björn Höcke und der rechte Verleger Götz Kubitschek hätten gemeinsam Reden Joseph Goebbels analysiert und diese als Vorlagen für Höckes eigene Reden verwendetet. Die Passage musste gestrichen werden, Kubitschek ließ es sich dennoch nicht nehmen, bei der diesjährigen Buchmesse den Stand des Europa Verlags aufzusuchen. Vorsichtshalber bestellte der Verlag Sicherheitspersonal, in der Vergangenheit gab es zahlreiche Drohungen gegen Schreiber, die bis vor kurzem bei öffentlichen Veranstaltungen sogar eine schutzsichere Weste trug, wie sie im Gespräch erzählt.

Doch was bewegte die heute 28-Jährige überhaupt, vor rund 5 Jahren Mitglied in der AfD zu werden? „Ich war unzufrieden mit der Politik“, erklärt sie. „Vor meinem Eintritt in die AfD habe ich FDP und CDU gewählt, war aber unglücklich damit. Ich hatte Lust auf Veränderung – dann kam plötzlich diese neue politische Kraft und versprach genau das.“ Bernd Luckes rationale, sachliche Art sei ihr sympathisch gewesen und die ersten zwei Jahre ihrer Mitgliedschaft sei sie sehr zufrieden gewesen mit dem Programm der AfD. Vor allem der Erneuerungsgedanke und das Anstreben einer höheren Bürgerbeteiligung habe sie fasziniert. Schwierige Aussagen habe sie als Ausrutscher abgetan und negative Entwicklungen daher lange ignoriert. Erst 2015 seien ihr die Schwierigkeiten bewusst geworden. „Als ich realisierte, dass sich die Partei radikalisiert, habe ich versucht, die entsprechenden Personen soweit wie möglich von Mandaten und wichtigen Positionen fernzuhalten.“

Der Kölner Parteitag im Herbst 2017 sei für sie schließlich der Schlüsselmoment gewesen, der sie dazu bewog, die AfD nicht nur zu verlassen, sondern auch ihre Erfahrungen publik zu machen. Unter anderem die bereits erwähnten Absprachen zwischen Maaßen und Petry: „Ich wollte darauf aufmerksam machen, dass die Institutionen, die eigentlich zum Schutz unserer Verfassung gedacht sind, anfangen, mit Verfassungsfeinden zu kooperieren. Die Bevölkerung muss sich darauf verlassen können, dass die Institutionen funktionieren.“ Heute sieht sich Franziska Schreiber in erster Linie als Aufklärerin. In der Flüchtlingsfrage vertrete sie die Ansicht, dass jeder, der in Deutschland einen Antrag auf Asyl stelle, das Recht haben solle, sofort arbeiten zu dürfen. Grundsätzlich dürfe kein Mensch, gleich welcher Herkunft, Religion oder sexueller Orientierung ausgegrenzt werden und man müsse der Gesellschaft die Angst vor dem Unbekannten nehmen: „Wenn es um die Abwertung von Menschen geht, muss man kompromisslos sein. Die AfD radikalisiert sich und die Gesellschaft radikalisiert sich mit. Die AfD lebt von der Angst, die andere Parteien vor ihr haben, nur deshalb wird sie von Protestwählern unterstützt.“

Zugegeben, es bleiben auch nach dem Gespräch Zweifel an Franziska Schreibers selbst diagnostizierter Naivität in der Anfangszeit ihrer Mitgliedschaft und auch ihre Motivation, die AfD zu verlassen und ihre Erlebnisse zu veröffentlichen, überzeugt nur teilweise. Kann man wirklich so blauäugig populistisches Geschwätz als „Ausrutscher“ abtun, wie sie zu Beginn sagt? Als „blöd gelaufen“ bezeichnet sie das Ganze zwischendurch. Das ist schon harter Tobak, ruft man sich manche Aussagen der AfD-Spitze in Erinnerung. Wirkliche Enthüllungen enthält das Buch kaum, teilweise lesen sich ganze Kapitel wie vage Rechtfertigungen. Andererseits: Franziska Schreiber ist eine junge Frau, noch keine 30, die offen zugibt, Fehler gemacht zu haben und sich nun dafür einsetzt, diese Fehler zu korrigieren. Ausgehend von ihren eigenen Erfahrungen möchte sie, so sagt sie, besonders jungen Menschen, die sich von Rechtspopulismus angezogen fühlen, zur Seite stehen und echte Alternativen aufzeigen: „Menschen, die man retten kann, soll man auch retten.“


Franziska Schreiber: Inside AfD. Der Bericht einer Aussteigerin
224 Seiten, 18,00 €
ISBN 978-3-95890-203-9
erschienen im Europa Verlag
 
16. Oktober 2018, 09.36 Uhr
Ronja Merkel
 
Ronja Merkel
Jahrgang 1989, Kunsthistorikerin, von Mai 2014 bis Oktober 2015 leitende Kunstredakteurin des JOURNAL FRANKFURT, von September 2018 bis Juni 2021 Chefredakteurin. – Mehr von Ronja Merkel >>
 
 
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