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Foto: Nicole Brevoord
Foto: Nicole Brevoord

Weggentrifiziert

Cream Music zieht nach Sachsenhausen

Vor dem Geschäft des legendären Musikhandels Cream treffen sich in der Taunusstraße täglich die Dealer. Das vergrault die Kunden. Jetzt sollte auch die Miete erhöht werden. Die Folge: Umzug nach Sachsenhausen.
Cream Music ist seit 113 Jahren, wenn auch anfangs unter dem Namen Hummel bekannt, der Instrumentenfachhandel in Frankfurt mit einem Ruf, der bis in die USA und nach Australien reicht. Als die Red Hot Chili Peppers kürzlich hier ein Konzert haben, kam der Gitarrist Josh Klinghoffer vorbei. Im Dezember 1958 saß Elvis in einer Limousine vor dem Laden in der Taunusstraße und ließ sich jeweils immer zwei Gitarren bringen, die er testete. Gekauft hat er beim Musikhaus Hummel letztlich eine Isana, die heute einem Fanclub gehört. Berhard Hahn, Spross einer Familie, die seit vier Generationen Musikinstrumente vertreibt, mitunter auch Marktneuheiten wie zu seiner Zeit direktimportierte Fender- oder Gibsongitarren oder die ersten Moog-Synthesizer. Da war die Nähe zur Festhalle und zum Hauptbahnhof recht praktisch, die professionellen Musiker aus aller Welt, sei es aus der Jazz- oder der Rockszene, haben sich laut Hahn im Laden die Klinke in die Hand gegeben. „Aber was nützt die all Nostalgie“, sagt Hahn, der in einem Teil des Ladens sitzt, in dem schob seine Oma gekocht hat. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge habe er beschlossen weg aus dem Bahnhofsviertel zu ziehen. Im September will er in Sachsenhausen in der Seehofstraße, wo sich einst das Restaurant Manitou befand, eröffnen. Größer seien die Räume dort allemal und er habe dort mehr Planungssicherheit sagt Hahn.

Über die Gründe für seinen Wegzug hat Hahn am Freitag ausführlich gesprochen. Seit zehn Jahren stehe er mit der Stadt im Gespräch. Das Problem: Sein Traditionsunternehmen liegt in der Taunusstraße, inmitten des Drogenmilieus. Wobei die Junkies weniger das Problem darstellten als die Dealer. „Das schreckt die Kunden ab. In der ganzen Welt gibt es keine solchen Szenen wie die hier. Undenkbar, dass zu mir Schulklassen oder Jugendliche kommen“, sagt Hahn. Vor zehn Jahren hatte er seine Not bereits in einem offenen Brief an Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) geschrieben. Sie und auch der damalige Ordnungsdezernent Volker Stein (FDP) hätten zwar vorbeigeschaut, natürlich vor der Bahnhofsviertelnacht, aber gebessert habe sich nichts, im Gegenteil: Es werde immer schlimmer. „Meine Lehrlinge waren froh, als sie woanders arbeiten konnten, die Mitarbeiter werden hier täglich angepöbelt und auch ich werde angegangen und sogar bedroht“, sagt Hahn. Als der Vermieter in Kenntnis der misslichen Lage und angesichts der sich allmählich ausbreitenden Aufwertung des restlichen Bahnhofsviertels ankündigte, die Miete anheben zu wollen, sei es vorbei gewesen. „Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Wir haben im Bahnhofsviertel keine Zukunft. Frei nach Niko Kovac: ‚Wenn man nicht gewinnen kann, dann darf man nicht verlieren’.“ Denn bis die Gentrifizierungswelle die Taunusstraße mit den zahlreichen Kasinos erreicht habe, kann der dreifache Familienvater nicht warten. Aber wenn die Miete jetzt erhöht werden, werde das kein Einzelfall bleiben, sobald die Straße in fünf Jahren hip sei. Angebote des Vermieters, den leerstehenden Kiosk mit zu übernehmen und eine Gastronomie zu errichten, lehnt Hahn dankend ab. Er habe täglich sechs bis sieben Mitarbeiter im Laden, an deren Zukunft er zu denken habe.

Also auf zu neuen Ufern. Dem Sachsenhäuser Ufer. In die Nähe zum Spritzenhaus und dem Elfer Club. „Bei den 2,5 Millionen Menschen im Rhein-Main-Gebiet gibt es für Läden wie usn genug Bedarf.“ Die Fassade des alten Creamladens will Hahn in den ähnlich geschnittenen neuen Laden übernehmen. „Das alte Flair soll erhalten bleiben, es soll einen Wiedererkennungswert haben“, so der 50-Jährige. Das neuen Umfeld wird, wenn auch weniger verkehrsgünstig gelegen, freundlicher sein und niemanden abschrecken. Das ermögliche ganz neue Geschäftsmodelle.

„Das Bahnhofsviertel verliert das geilste Geschäft“, bedauert Ulrich Mattner, Vorsitzender des Gewerbevereins. Doch das Bahnhofsviertel ist im Umbruch. Es gibt dort immer weniger Fachgeschäfte, schon gar nicht mit einer so langen Tradition. Trendviertel und Drogenszene treffen immer stärker aufeinander. „Ich vergleiche die Szene gerne mit einem Aquarium“, sagt Hahn: „Wenn man das Wasser rauslässt und noch genauso viele Fische wie vorher im Becken sind“. Während Hahn das sagt, tummeln sich draußen die Dealer.
 
16. Dezember 2016, 14.51 Uhr
Nicole Brevoord
 
 
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