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Gentrifizierung mit Gewalt bei Teestube Jona

Drohungen gegen Sozialarbeiter, Mieter müssen sich Wasser aus dem Main holen

Neue Entwicklungen im Fall des Obdachlosen-Treffs Teestube Jona: Die neuen Hauseigentümer sollen, um die Mieter aus dem Haus zu vertreiben, zu harten Mitteln gegriffen haben. Die Stadtverwaltung will handeln.
Geändert am 3. März 2018

"Ist noch Kaffee da?", fragt es aus der Runde obdachloser Menschen, die sich an diesem Mittwochnachmittag in der Teestube Jona zusammengefunden haben. Sie sprechen über Gott, die Welt und Fußball. Ihre Jacken aber haben sie anbehalten, denn es ist kalt geworden an diesem Ort. "Für mich ist das hier wie eine Insel", sagt einer der Männer. "Die Teestube gibt mir Hoffnung."



Seit vergangenem Jahr ist das Inselleben jedoch gestört. Die neuen Hauseigentümer traten im Spätsommer erstmals in Erscheinung - und drohten mit sofortigem Rauswurf. Im September solle die Teestube gehen, sollten auch all die anderen Mieter aus ihren Wohnungen oben drüber - ungeachtet der Verträge, die noch bis weit ins Jahr 2018 hineinreichten. Im Falle des Obdachlosentreffs läuft der Vertrag im November dieses Jahres ab. Man hofft jedoch, dass die von der Stadt versprochene Unterkunft in der Gutleutstraße schon früher bezugsfertig wird. "Das kann so einfach nicht weitergehen", sagt Dieter Maurer vom dahinterstehenden Verein "Projektgruppe Bahnhofsviertel".



Die Strom-Hauptleitung sei durchgeschnitten worden - die Teestube organisierte einen Elektriker, der sie wieder reparierte. Der Hauptwasserhahn sei zugedreht worden; als die Sozialarbeiter ihn wieder aufmachten, wurde das Schloss zum Kellerraum ausgewechselt, später sei gar der Wasseranschluss unter der Straße stillgelegt worden - die Mainova habe gesagt, sie sei das nicht gewesen. Einmal seien auch die Sicherungen rausgedreht worden, einige Männer hätten dann vor der Tür gewartet, auf dass die Gäste und Mitarbeiter aus der Teestube verschwänden, doch man blieb, im Kerzenschein. Die Mitarbeiter seien von den Männern auch gefragt worden, was ihnen einfiele, als sie selbst die Sicherungen wieder reindrehten, eine Tür sei eingetreten worden von vier kräftigen Männern, es habe Geschrei gegeben. Manchmal schritten besagte Männer auch einfach nur über Stunden auf dem Bürgersteig auf und ab und blickten böse ins Lokal. Einschüchterungsversuche.



Solche Einschüchterungsversuche, so berichten es Menschen aus dem Haus, habe es auch gegenüber den Mietern in den Wohnungen gegeben. Öffentlich möchte keine der drei Mietparteien Stellung nehmen - man habe ihnen gedroht, sonst werde alles noch schlimmer. Die Frage ist nur: Wie schlimm kann es in einem Haus noch werden, in dem im Winter die Fenster offenstehen, in dem Vögel das Treppenhaus bevölkern, in dem eine Kreativ-Werkstatt und Lagerräume der Teestube mit meterhohem Schutt blockiert wurden? Eine Familie hat Kinder, eines noch ein Baby. Sie müssen, so wird erzählt, Wasser aus dem Main herbeiholen, um ihre Toiletten spülen zu können, oft fällt der Strom aus.


Links leere Klingelschilder, rechts der Ort, wo einst ein Briefkasten war. Doch es leben immer noch Menschen hier.

Die Briefkästen seien schon vor längerem aus der Wand herausgerissen worden, derzeit landet die Post der Bewohner in der Teestube. Die Lampen im Treppenhaus, bei der die Stadt darauf bestand, dass sie eingebaut werden, damit es nachts dort nicht stockdunkel ist, wurden wieder rausgeschraubt. Und so weiter und so fort.

Es gibt natürlich auch schöne Zeichen von Solidarität. Vor einigen Wochen stellte Nazim Alemdar, Besitzer des Yok-Yok-Kiosks in der Münchener Straße ungefragt eine Palette Wasserflaschen vor der Teestube ab. "Das hat uns wirklich gefreut", sagt Leiterin Nadine Müller. Denn ohne Wasser aus Flaschen wäre der Betrieb gar nicht mehr möglich. Die Koch-AG und die Kreativ-AG müssen jedenfalls seit einigen Monaten entfallen, dennoch hält die Teestube ihre Öffnungszeiten ein, bietet auch nach wie vor Spieleabende für die obdachlosen Menschen an. "Seit über 30 Jahren sind wir an diesem Ort - es ist für viele Leute ein Stück Heimat", sagt Dieter Maurer.


Der Zugang zum Kreativ-Raum und dem Lager der Teestube wurde zugeschüttet. Miete wird dafür, so die Verantwortlichen der Teestube, dennoch fällig.

Kurzum: Die Hauseigentümer versuchen die Komplett-Sanierung des Gebäudes durchzusetzen, während noch Mieter drin sind. Beileibe kein Einzelfall in Frankfurt. Derzeit herrscht aber ein Baustopp auf dem Gelände. Nicht nur die Polizei, die über die erfolgten Bedrohungen informiert wurde, auch die Bauaufsicht wirft ein verschärftes Auge auf die Liegenschaft in der Pforzheimer Straße 7. "Man wundert sich manchmal, was in einer Stadt wie Frankfurt möglich ist", sagt der obdachlose Mann während er sich an seiner Kaffeetasse wärmt.

>> Mehr zum Thema "Teestube Jona"

Richtigstellung
Im ursprünglichen Artikel, den wir nunmehr geändert haben, war davon die Rede, dass die MiT Baukonzept GmbH Eigentümerin des Grundstücks auf der Pforzheimer Straße 7 ist. Dies entspricht nicht der Wahrheit. Richtig ist, dass es drei Eigentümer gibt, die rechtlich mit der MiT Baukonzept GmbH nicht verbunden sind. Der vorgenannten Gesellschaft können deshalb die Abläufe und Vorgänge, über die wir berichtet haben, nicht zugerechnet werden.
Journal Frankfurt, 3. März 2018
 
15. Februar 2018, 11.44 Uhr
Nils Bremer
 
 
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