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Kolumne von Ana Marija Milkovic
Über Paprika
Als Kind glaubte unsere Kolumnistin, Jugoslawen ernährten sich hauptsächlich von Paprika. Mit Hackfleisch gefüllt oder nur in Öl eingelegt. Und heute? Beginnt ihr Geruch zu verschwinden.
Früher war alles besser. Kürzlich bat ich meine Mutter, gefüllte Paprika zu kochen. Als Kind mochte ich das Essen nicht. Es war die Leibspeise meines Vaters. Früher, wenn ich samstags in Marburg von der Schule nach Hause kam, drang der Geruch von Paprika bis auf die Straße. Das Wochenende war dann für mich ruiniert. Wie konnten meine Eltern so rücksichtslos sein? Wer mochte schon inmitten von penetrantem Geruch zu Hause sein?
Die Paprika werden mit Hackfleisch gefüllt, halb Rind und halb Schwein. Eine gute Qualität muss es sein. Gewürzt. Mir fiel jetzt auf, da war kein Geruch im Flur, als ich die Treppe zu meiner Mutter hinaufging. Kein Paprikageruch drang ins Treppenhaus. Meine Mutter ließ mich rein, stellte den Topf auf den Esstisch und hielt andächtig inne. Der Moment hätte zum Gebet einladen können. Stattdessen sagte sie, mit konzentriertem Blick auf den Topf mit den gefüllten Paprika gerichtet, dass sie unglaublich viel Wasser ließen. Das ist nicht normal, sagte meine Mutter. Paprika habe den Geruch verloren, das Fleisch die Konsistenz. In Jugoslawien roch es noch so schön.
Als Kind glaubte ich, Jugoslawen ernährten sich hauptsächlich von Paprika. Mit Hackfleisch gefüllt oder nur in Öl eingelegt. Alle möglichen Varianten wurden gewählt. Meine Tante legte sie Bleche weise in Öl und backte sie aus bis sie ganz weich wurden. Dann zog sie die Haut ab. Wie einen Spargel am Schopf ließ meine Mutter die Paprika in ihren Mund fallen. Sie neigte dabei den Kopf in den Nacken. Meine Mutter konnte ein ganzes Blech alleine verschlingen. Wir staunten. Dazu ein frisches Weißbrot. Mehr brauchte sie nicht, um in solchen Momenten glücklich zu sein.
Ich dagegen kämpfte als Kind mit dem Magen. Von den Ferien in Dubrovnik blieb mir vor allem der Geruch in Erinnerung. Die Gassen der Altstadt von Dubrovnik waren, als die Menschen aller Ethnien dort noch lebten und ihre Wäscheleinen von Wand zu Wand zogen, durchsetzt mit dem Geruch von gedünsteten Paprika. Ich stellte mir vor, dass die Wäsche, die da in den Gassen hing, nach Paprika riechen musste. Als ich nach dem Krieg als Erwachsene durch Dubrovnik ging, fehlten die Wäscheleinen und der Paprikageruch. Ich schloss die Augen und stellte mir am Brunnen am Eingang der Altstadt den alten Mann mit der Balalaika vor. Würde ein Gebet helfen, dass Tote und der Geruch für einen Moment wieder auferstehen?
Als die Paprika auf meinem Teller lag und dazu der Kartoffelpüree mit dem Gurkensalat, der mit Joghurt und Knoblauch vermengt war, fragte ich meine Mutter, ob es nicht denkbar wäre, dass auch mein toter Vater zum Essen erschiene. Lad ihn doch ein, antwortete sie. Ich überlegte. Er würde sich furchtbar ärgern, seine Leibspeise nicht essen zu können. Das Trauma des Todes. Was bleibt uns aber noch von den Ahnen und ihrer Welt, wenn die Gerüche verschwinden? Monsanto?
Die Paprika werden mit Hackfleisch gefüllt, halb Rind und halb Schwein. Eine gute Qualität muss es sein. Gewürzt. Mir fiel jetzt auf, da war kein Geruch im Flur, als ich die Treppe zu meiner Mutter hinaufging. Kein Paprikageruch drang ins Treppenhaus. Meine Mutter ließ mich rein, stellte den Topf auf den Esstisch und hielt andächtig inne. Der Moment hätte zum Gebet einladen können. Stattdessen sagte sie, mit konzentriertem Blick auf den Topf mit den gefüllten Paprika gerichtet, dass sie unglaublich viel Wasser ließen. Das ist nicht normal, sagte meine Mutter. Paprika habe den Geruch verloren, das Fleisch die Konsistenz. In Jugoslawien roch es noch so schön.
Als Kind glaubte ich, Jugoslawen ernährten sich hauptsächlich von Paprika. Mit Hackfleisch gefüllt oder nur in Öl eingelegt. Alle möglichen Varianten wurden gewählt. Meine Tante legte sie Bleche weise in Öl und backte sie aus bis sie ganz weich wurden. Dann zog sie die Haut ab. Wie einen Spargel am Schopf ließ meine Mutter die Paprika in ihren Mund fallen. Sie neigte dabei den Kopf in den Nacken. Meine Mutter konnte ein ganzes Blech alleine verschlingen. Wir staunten. Dazu ein frisches Weißbrot. Mehr brauchte sie nicht, um in solchen Momenten glücklich zu sein.
Ich dagegen kämpfte als Kind mit dem Magen. Von den Ferien in Dubrovnik blieb mir vor allem der Geruch in Erinnerung. Die Gassen der Altstadt von Dubrovnik waren, als die Menschen aller Ethnien dort noch lebten und ihre Wäscheleinen von Wand zu Wand zogen, durchsetzt mit dem Geruch von gedünsteten Paprika. Ich stellte mir vor, dass die Wäsche, die da in den Gassen hing, nach Paprika riechen musste. Als ich nach dem Krieg als Erwachsene durch Dubrovnik ging, fehlten die Wäscheleinen und der Paprikageruch. Ich schloss die Augen und stellte mir am Brunnen am Eingang der Altstadt den alten Mann mit der Balalaika vor. Würde ein Gebet helfen, dass Tote und der Geruch für einen Moment wieder auferstehen?
Als die Paprika auf meinem Teller lag und dazu der Kartoffelpüree mit dem Gurkensalat, der mit Joghurt und Knoblauch vermengt war, fragte ich meine Mutter, ob es nicht denkbar wäre, dass auch mein toter Vater zum Essen erschiene. Lad ihn doch ein, antwortete sie. Ich überlegte. Er würde sich furchtbar ärgern, seine Leibspeise nicht essen zu können. Das Trauma des Todes. Was bleibt uns aber noch von den Ahnen und ihrer Welt, wenn die Gerüche verschwinden? Monsanto?
22. November 2017, 10.44 Uhr
Ana Marija Milkovic
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