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Foto: DIF
Foto: DIF

Abgedreht im Filmmuseum

In drei Stunden zum eigenen Film à la Michel Gondry

Er drehte mit Kate Winslet, Jim Carrey, Jack Black, Christoph Waltz und vielen anderen. Jetzt will Michel Gondry mit seiner „Filmfabrik“ im Filmmuseum die Frankfurter zum kreativen Mitmachen animieren.
In der Komödie „Be Kind Rewind“, die der französische Regisseur Michel Gondry 2008 in den USA drehte, geht es um eine Videothek in New Jersey, die vor großen Problemen steht: Nachdem durch einen bizarren Unglücksfall alle VHS-Bänder gelöscht wurden, sehen die beiden von Jack Black und Mos Def gespielten Aushilfen nur eine Lösung, den Laden weiterhin am Laufen zu halten: Fortan müssen sämtliche von den Kunden angefragten Werke eigenhändig nachgedreht werden. Um also Blockbuster wie „Der König der Löwen“, „RoboCop“ oder „Ghostbusters“ möglichst „überzeugend“ nachzustellen, verlässt man sich nicht nur auf primitive Filmtechnik und größtmögliches Improvisationstalent, sondern spannt auch die lokale Bevölkerung für die Dreharbeiten ein. Was schließlich zu einer begeisterten Solidarität unter den Bewohnern des Stadtviertels führt – auch wenn das Ende der ruinösen Videothek nicht mehr aufzuhalten ist. „Be Kind Rewind“, Gondrys fünfte Regiearbeit nach einer erfolgreichen Videoclip-Karriere, war seinerzeit kein besonders großer Kino-Hit. Aber die propagierte Do-it-Yourself-Atti-tüde führte zu einem YouTube-Trend. Und auch der Regisseur selbst kam ins Grübeln: Was wäre, wenn man diese Idee in der Realität umsetzen, also Laien spontan ihre eigenen kleinen Filme inszenieren lassen würde? Es war die Geburtsstunde von „Michel Gondrys Home Movie Factory“, die jetzt als „Michel Gondrys Filmfabrik“ ins Frankfurter Filmmuseum kommt und dort den deutschen Kinotitel von „Be Kind Rewind“ bekam: „Abgedreht!“

„In unserem Film funktionierte das Konzept, weil wir eigens eine Welt dafür kreiert hatten“, erinnert sich Gondry bei unserem Interview an seine ersten Fabrik-Gedanken: „Danach wollte ich das in der realen Welt versuchen. Das hat viel Zeit und viel Ausprobieren gekostet. Letztendlich entschied ich mich, den gesamten Prozess, vom Schreiben bis zum Drehen, auf drei Stunden zu reduzieren. Als wir mit unserer Home Movie Factory dann von Stadt zu Stadt zogen, wurden die Regeln immer wieder angepasst, um der Demokratie des kreativen Prozesses gerecht zu werden.“ Zwölf Städte wurden bislang beehrt, darunter Moskau, Johannesburg, Rotterdam, Toyko und Cannes. Warum jetzt also Frankfurt? „Weil wir überall dorthin gehen, wo man uns haben möchte“, stellt Monsieur Gondry klar. „Jeder Ort auf der Welt hat etwas Aufregendes zu bieten. Vor allem, wenn man die Menschen kennenlernt, die dort leben.“ Stefanie Plappert, studierte Filmwissenschaftlerin und Kuratorin fürs Filmmuseum, hat in Frankfurt die Projektleitung übernommen und präzisiert: „Die Idee dazu schwebte schon seit einiger Zeit im Raum. Eine Kollegin von uns hatte beim Filmfest Rotterdam an einer Home Movie Factory-Session teilgenommen und war begeistert. Dazu kommt, dass dieses Jahr das Gastland der Buchmesse Frankreich ist und sich in diesem Zuge auch das Team Gondry an uns wandte, um zu sehen, ob das Filmmuseum ein idealer Spielort ist. Am Ende hieß es: ‚Das ist eine schöne Sache. Wir sind gerne hier zu Gast.’“

In drei Stunden zum fertigen Film
Doch worum genau dreht es sich bei der „Filmfabrik“? Was ist die Idee dahinter? Der Meister erläutert: „Es gibt drei prinzipielle Ideen. Erstens: Jeder, egal welchen sozialen Hintergrund oder welches Alter man hat, kann, wenn die Motivation da ist, kreativ sein und hundert Prozent seiner Energie in ein gemeinsames Projekt investieren – und Spaß daran haben. Zweitens: Die Bemühungen von zehn Menschen reichen aus, um etwas zu kreieren, das zehn andere Menschen unterhält. Drittens: Menschen brauchen niemanden, der sie anleitet. Sie sind motiviert und effizient genug, um in kleinen Gruppen gemeinsame Entscheidungen zu treffen.“ Das genau ist die Crux, wie auch Kuratorin Plappert bestätigt: „Es geht um einen Prozess, bei dem unterschiedliche Leute mit unterschiedlichen Ideen zusammentreffen, um demokratisch ein künstlerisches Ergebnis erzielen. Je bunter, desto kreativer.“ Und das Ganze in gerade mal drei Stunden! „Ein Spaziergang wird das nicht“, sagt Plappert, „da wird man schon auch gefordert. Die Gruppen müssen sich darauf einlassen.“ Was bedeutet: Innerhalb von 180 Minuten finden für eine Teilnehmerzahl von 5 bis maximal 12 erst zwei vorbereitende Workshops statt, in denen die Filmidee konzipiert, die Rollen verteilt und das Skript verfasst werden. Danach folgen in extra vom Filmmuseum installierten „Alltagskulissen“ (Wohnzimmer, Kneipe, Straße etc.) die eigentlichen Dreharbeiten. Am Ende wird das Material gesichtet und eine DVD gebrannt. „Der zeitliche Rahmen ist festgelegt“, unterstreicht Plappert, „die drei Stunden müssen eingehalten werden. Unser Plan ist, die jeweiligen Gruppen täglich im Dreiviertelstundentakt in den kreativen Ablauf zu schicken.“ Aber keine Sorge: „Für alle Fragen ist kompetentes Betreuungspersonal vorhanden!“

In drei Stunden zum fertigen Film also. Ein Vorhaben so irrwitzig wie reizvoll. Mitmachen kann jeder, Anmeldungen erfolgen übers Internet oder direkt beim Filmmuseum, auch feste Gruppen werden zugelassen, allerdings nur, so Plappert, „in Ausnahmefällen“. Grundlegende Materialien (Sets, Kostüme, Kulissen, Requisiten, Technik) werden vom Filmmuseum gestellt, alles darüber hinaus müssen sich die Teilnehmer „selber basteln“. Und der ganze Spaß ist kostenlos, das sollte nicht unerwähnt bleiben. Nur Michel Gondry selbst macht sich rar: Der kommt erst zur Buchmesse – und ist dann sicherlich schon ganz neugierig, was die Frankfurter in der Zwischenzeit so alles auf die Beine gestellt haben. Denn: „Filme sind in der Lage, unsere Sicht auf die Welt zu verändern. Sie können unsere Augen öffnen und unsere Perspektive erweitern.“ Na dann: los!

>> Abgedreht! Die Filmfabrik von Michel Gondry
Deutsches Filmmuseum, 14.9.-28.1.2018, Infos & Teilnahmebedingungen: abgedreht.deutsches-filmmuseum.de
 
11. September 2017, 11.17 Uhr
Andreas Dosch
 
 
Fotogalerie:
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