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Foto: Laura J Gerlach
Foto: Laura J Gerlach

Waffen Engels im Bahnhofsviertel

Das Geschäft mit den Waffen

Andreas Engels sagt, er spüre diese Hemmschwelle auch, wenn er einen Waffenladen betrete. Dabei ist er der Betreiber von Waffen Engels in der Kaiserstraße. Besuch in einem nicht alltäglichen Laden.
Kann die unmittelbare Nähe zu Messern, Pistolen und Revolvern meine Hemmschwelle gegenüber Waffen per se abbauen? Um das herauszufinden mache ich einen Besuch in der Kaiserstraße. Waffen Engels, eine, wie man sagt, Frankfurter Institution in der fünften Generation: Als Waren- und Versandhandel 1884 gegründet mit einem Sortiment für Schmuck, Spazierstöcken, Schatullen, Haushaltsgeräten und allerlei praktischen Dingen – auch gute, wertige Messer. Die sind nach wie vor im Sortiment; und eben Waffen und entsprechendes Zubehör.

Das Geschäft ist schummrig beleuchtet. Eine rundum laufende Theke dient als Sperre zwischen Kunden und Waren. Rechts dahinter überwiegend Klappmesser, Rasierklingen, Pfeffersprays. Mittig Silikon-Masken für Gotcha-Spiele. Daneben schusssichere Westen, in der Thekenauslage weitere Messer der etwas längeren Sorte. Die linke Ladenseite präsentiert landläufig gesprochen Knarren, ergänzt um Armbrüste und Bogen. Ein paar Handschellen in der Vitrine und weitere Pistolen und diverse Arten von Munition. Eine junge Mitarbeiterin bedient gerade einen Asiaten an der Messertheke. Ich gebe Zeichen, dass ich mich für Pistolen interessiere, genauer Kohlendioxid-Pistolen im James-Bond-Style. Sie ruft den zuständigen Kollegen: „Herr Walther!“ Walther? Wie die Walther PPK, die berühmte Pistole von James Bond? Aber Herr Walther ist gerade beschäftigt. Der Chef persönlich tritt zum Verkaufsgespräch heran.

Eine CO2–Pistole? Man legt mir die Waffe in die Hand. Ein Schusstest gehört zur Kaufberatung dazu: Nach Einlegen kleiner Bleistückchen in ein rundes Magazin ziele ich auf eine kleine Metallschüssel am Boden, ein Kugelfänger. Meine Kugeln vermute ich nach dem Test im unteren Bereich der Warenschränke, zumindest lassen die leichten Abschabungen am Holz darauf schließen. Herr Engels nimmt den Kollateralschaden mit Humor. Überhaupt ist er sehr humorvoll, dieser Waffenhändler, lacht viel und lässt durchblicken, dass er durch und durch pazifistisch eingestellt ist.
Ich stelle den Kauf der Luftdruckpistole zurück, bitte um Anprobe einer kugelsicheren Weste. Ob das Tragen einer kugelsicheren Weste ein pazifistischer Akt an sich ist, steht noch zur Klärung. Ob die Weste wirklich kugelsicher ist im Übrigen auch: Das Teil ist weder schwer noch fest, sondern leicht, anschmiegsam und kommt mit einer weichen, knisternden Füllung aus. Auch der hohe Tragekomfort lässt mich daran zweifeln. Der Preis gibt keinen Hinweis: 680 Euro kostet eine solche Weste – günstig, wenn sie Leben rettend wäre, rausgeschmissenes Geld, wenn sie versagte. Aber schick. Gibt’s die denn auch in Schwarz? Nein, nur in Weiß – damit man sie unterm Herrenhemd nicht sieht, erläutert mir der Fachmann. Sonst ziele der Angreifer ja gleich statt auf den Körper auf den Kopf. Es klingt so erschütternd wie folgerichtig. Die Sicherheit beziehe sich auf polizeiübliche Kugeln. Den Schusstest machen wir nicht. Die Weste als Accessoire aus modischen Gründen zu tragen, da spräche nichts dagegen, da sind der Waffenhändler und ich vollkommen einer Meinung.

Während ich mich mit Herr Engels unterhalte, gehen die Kunden ein und aus. Da erkundigen sich welche nach der Funktion von Elektroschockern (95 Euro) und sind dann vom bloßen Anblick des in Richtung Decke und zu Demonstrationszwecken augelösten Elektroschocks von 500 000 Volt nachhaltig erschrocken. Oder die drei Jugendlichen, von denen einer (gerade 18 Jahre alt geworden) eine Schreckschusspistole kauft, mit der Behauptung, er sei Sammler. Dann die Gruppe Asiaten, die offensichtlich nicht nur in den Frankfurter Souveniershops deutsche Küchenmesser gut finden, sondern auch die Klappmesser im Umfeld des Rotlichtviertels für geeignete Mitbringsel halten. Der Typ, der sich für die Ambrust interessiert, ja, er ist schmierig und unsympathisch, will gar nichts kaufen. Er wolle sich nur beraten lassen, denn zuhause warte seine Freundin, die würde ja toben, für den Fall, dass er eine Ambrust mitbrächte. Dann geht er wieder. So ist das bei Waffen Engels. Wie im Film.

Ich gestehe Herrn Engels, dass ich konsequent gegen Waffen sei. Das sei er auch, versichert er mir. Langsam gewöhne ich mich an die waffenlastige Atmosphäre des Ladens und das Gespräch wird freundschaftlich: Herr Engels berichtet mir dann von seinem Parallelleben als psychotherapeutischer Heilpraktiker mit eigener Praxis. Wirklich wahr! Es ist so überraschend wie sympathisch.

Wir unterhalten uns weiter – über Gott, Waffen und die Welt, als wieder ein Kunde, ein korpulenter Rentner, unverdächtig aussehend, den Laden betritt. Herr Engels stellt mich aus einer Laune heraus als seine Praktikantin vor und bedient den Mann unter Beisein meiner versierten Waffenfachverkäuferinnenmiene. Es geht um einen langen Lederriemen, den man sich um die Schultern legt und dessen Halterung unter dem linken Oberarm hängt. In dieser kleinen Scheide steckt dann ebenso unauffällig wie griffbereit ein Messer. Engels ist freundlich, geduldig erkundigt er sich bei dem Mann nach dem Bedarf einer solchen Vorrichtung. Diese Frage ist Teil des Geschäftsvorgangs. Der Waffenhändler ist in der Pflicht abzuklären, inwiefern ein potenzieller Käufer vernunftbegabt genug ist, einen jeweiligen Artikel sachgemäß, nein, vernünftig, nein besser: unschädlich für Gesundheit und Leben anderer zu verwenden. Ein schmaler Grat. Unabhängig von der Gesetzeslage, die das Führen und das Besitzen von Waffen streng regelt.

Der Rentner braucht die Messerhalterung genaugenommen deshalb, weil „es ja immer gefährlicher in der Stadt wird. Sehen Sie sich doch nur beispielsweise diese Radikalen an, die neulich wieder durchs Ostend gezogen sind. Wenn so einer zu mir käme, glauben Sie mir, da würde ich keine Sekunde zögern …“ Ohne Worte.

Ich sehe den richtigen Zeitpunkt gekommen Herrn Engels zu fragen, wo eigentlich die harten Waffen, die Pumpguns, sind. Pumpguns?, hakt er nach. Pumpguns sind was für Idioten. Für die, die zuviel amerikanische Filme gucken. Pumpguns sind unpraktisch und zum Treffen wenig geeignet. Sagt Engels. Und andere, echte Waffen? Seit den ersten Anschlägen in Schulen in Deutschland habe er sein Angebot umgebaut: keine scharfen Waffen mehr. Kategorisch.

>> C.W. Engels, Ffm: Kaiserstr. 49, Bahnhofsviertel, www.manergy.de
 
16. September 2015, 18.12 Uhr
Laura J Gerlach
 
 
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