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Foto: Tamara Marszalkowski
Foto: Tamara Marszalkowski

Und jetzt? Nach Deutschland einwandern?

Bei der US-Wahlparty im Gibson geben nur 9 Prozent ihre Stimme an Trump

Rund 1200 Gäste waren gestern im Gibson, um gemeinsam mit dem US-Generalkonsulat die Wahlergebnisse zu verfolgen und ein bisschen zu feiern. Doch bis zum bitteren Ende hielt niemand durch.
Gleich am Eingang des Gibson-Clubs begrüßten Hillary und Donald die Besucher. Die Pappaufsteller eigneten sich wunderbar für Selfies und anderen Schabernack. Auch später auf der Tanzfläche tauchten sie wieder auf. Die Stimmung am Wahlabend: ausgelassen.

Der Club füllte sich nur langsam – die Kontrollen waren streng und die Schlange vor der Tür entsprechend lang. Rund 1200 Gäste waren in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch da, um mit dem US-Generalkonsulat die Wahl zu beobachten. Am Eingang wurde salziges Popcorn verteilt, es gab eine Club-interne Wahl, ein Quiz mit Fragen zum politischen Allgemeinwissen und eine Liveband – genügend Zutaten eigentlich, um die Wartezeit bis zum Ergebnis zu überbrücken. Auch viele Journalisten tummelten sich auch auf der Party - darunter ein Kamera-Team vom ZDF mit dem Komiker der Heute-Show Lutz van der Horst.

Das würde jeder anständige Staatsbürger tun
Viele der Gäste trugen "I voted"-Sticker auf ihrer Brust. Das hieß jedoch noch lange nicht, dass es sich dabei um US-Amerikaner handelte. Es bedeutete lediglich, dass sie an der Club-internen Wahl teilgenommen hatten. So auch die 20-jährige Emma Eckberg. Doch die hatte tatsächlich gewählt - per Briefwahl. "Ich will, dass Hillary gewinnt", sagt sie bestimmt. "Wenn sie nicht gewinnen sollte, wäre ich zwar schockiert, aber nicht absolut überrascht." Im Scherz sagt sie noch, dass sie dann wahrscheinlich in Deutschland bleiben würde.

Lutz van der Horst springt durch den Raum und wird dabei gefilmt wie er US-Fähnchen und Fanfinger durch die Luft wedelt. Dabei fällt die US-Flagge auf den Boden. Sofort sind drei junge Männer vor Ort, heben die Flagge auf und falten sie gewissenhaft und zeremoniell zusammen. Sind es Marines? "Nein, wir tun nur was jeder anständige Staatsbürger getan hätte", sagt Tommy Flanagan mit einem dicken Grinsen im Gesicht. Der 24-Jährige war Fremdsprachenassistent in Hamburg und arbeitet seit August für die Lufthansa in Frankfurt. Flanagan erzählt, dass viele Amerikaner wüssten, wie man die Flagge ordnungsgemäß zusammenfalte. "Das lernt man bei uns in der Grundschule, von klein auf", sagt er. So etwas könne man nicht einfach abschütteln. Doch mit der amerikanischen Flagge gehen für ihn auch Werte einher, an die er glaubt.

Noch wird zu "Stayin' alive" getanzt
"Es war spannend ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt in Europa zu sein, zu sehen wie Europa die Wahl beobachtet hat", sagt er. Für seinen Freund Gabriel Rivas hingegen war es als Amerikaner peinlich. "I was not proud of us", sagt er. Er sei nicht stolz gewesen darüber, wie der amerikanische Wahlkampf verlaufen ist. Es sei ein verrückter, schmutziger Wahlkampf gewesen. Rivas hat per Briefwahl gewählt und hofft am Ende des Abends eine weibliche Präsidentin zu haben. Und Flanagans Devise ist: "It doesn't matter who, vote blue."

Gute Stimmung kommt im Gibson auf. Auf der Tanzfläche wird getanzt: Clinton führt in Florida, dazu werden die Bee Gees mit "Stayin' alive" gespielt. Immer wenn Clinton vorne liegt, brandet Jubel auf. Das Ergebnis der Club-internen Wahl bestätigt die Stimmung im Raum: Bei 451 Stimmen gehen nur 9% an Trump und 69% an Clinton. Dennoch gibt es eine Handvoll von Gästen, die Cappys tragen auf denen steht "Make America Great Again". Spricht man sie an, sind es entweder deutsche Studenten, die trollen wollen oder jemand hat eine Wette verloren. Doch so richtig bekennt sich niemand zu dem Republikaner.

Was macht man mit so viel Pappe?
Auch um 2 Uhr bricht Applaus los: Erste Hochrechnungen, Clinton hat Illinois, Maryland, Massachusetts, Rhode Island für sich gewinnen können. Woohoo-Rufe. Erscheint Trump, wird gebuht. Eine Dame mit Mini-US-Flaggen im Haar verfolgt gespannt die Ergebnisse. Traute Grier hat 20 Jahre lang in den USA gelebt und ist heute Abend zum ersten Mal bei solch einer Feier. "Ich wollte sowas mal mitmachen. Und schließlich geht es uns alle etwas an. Das hat ja auch Einfluss auf die europäische Politik", so Grier. Unter den Journalisten ist die 84-Jährige der Star heute Abend.

Zwischen 3 und 4 Uhr wird der Club immer leerer. Trump liegt vorne mit 128 Wahlmännern - Clinton liegt bei 97. Doch noch ist nichts entschieden. Marco Fey, Doktorand an der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, forscht zu Sicherheits- und Weltordnungspolitik der Staaten. "Allein die Wahl von Trump würde in der Außenpolitik viel Porzellan zerschlagen", sagt Fey. Das sei schon so gewesen, als George W. Bush gewählt wurde. Barack Obama habe jetzt acht Jahre daran gearbeitet, das Vertrauen wieder zurückzugewinnen. Trump sei unberechenbar. "Es ist schwer einzuschätzen, wen er ins Kabinett wählt und wer zu seinen engsten Beratern zählt", so Fey. Außerdem ändere er in wichtigen Themen ständig seine Meinung. "Ich würde mir wünschen, dass die republikanische Partei wieder zu einer vernünftigen, gemäßigten Partei wird, mit der man kooperieren kann", so Fey.

Bis zum bitteren Ende hielten es die Gäste der Party nicht durch. Um vier Uhr wurden die letzten Gäste herausgekehrt. Schnell wurde noch ein Pappaufsteller-Trump zusammengeklappt und nach Hause verschleppt. Nur, was soll man jetzt damit?
 
9. November 2016, 11.40 Uhr
Tamara Marszalkowski
 
 
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