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Hermann Ott und Matthias Zimmer

Wachsende Annäherung

Die Grenzen des Wachstums sind erreicht. Und nun? Darüber diskutierten im Haus am Dom Matthias Zimmer (CDU) und Hermann Ott (Grüne) - und waren sich weitgehend einig.
Das Giebelzimmer im Haus am Dom hat etwas kirchliches, nicht wundern also, wenn es später am Abend etwas spirituell wird. Das Thema indes erzwingt das ja auch geradezu. Es geht ums Wachstum, und damit um dessen Grenzen, so sind die Zeiten eben. Gekommen sind Mathias Zimmer (Foto), Bundestagsabgeordneter und frischgekürter, erneuter Direktkandidat der CDU, und Hermann Ott, Mitglied des Bundestages für die Grünen, zuvor Chef des Wuppertal-Instituts, ein kluger, auch ein selbstironischer Kopf, bei dem man sich fragt, warum seine Partei ihn nicht mehr im Bundestag sehen will, wie man hört. Gut, vielleicht ist es die Selbstironie, kann man halt nicht wie eine Monstranz vor sich hertragen so wie political correctness oder Castorgegnerschaft.

Das wirklich Erstaunliche an diesem Abend aber wird sein, dass hier ein CDU-Politiker und ein Grünen-Politiker zusammensitzen und sich nicht nur zuhören und ausreden lassen, sondern dass im Haus am Dom auch ein verständiges Publikum sitzt, dass auch dann nicht unruhig auf den Sitzen herumrutscht oder gelangweilt auf Smartphones herumdatscht als die Veranstaltung die Zwei-Stunden-Marke schon längst gerissen hat.

Herr Zimmer und Herr Ott sitzen jedenfalls in derselben Enquete-Kommission zum Thema, genau: Wachstum. In Bälde wird die Kommission seine Empfehlungen aussprechen, mehr ist es nicht, aber die beiden Politiker hoffen, dass diese langfristig wirken, auch im nächsten Bundestag, auch in anderen politischen Bündnissen.

Konkret geht es darum: Wachstum ist nicht leicht zu bestimmen. Das Bruttoinlandsprodukt jedenfalls reiche nicht aus. Hermann Ott schildert es an einem plastischen Beispiel. Steigt die Kriminalität, dann reagieren die Bürger mit Maßnahmen zu ihrer eigenen Sicherheit, sie spannen Zäune auf, sie bewaffnen sich vielleicht gar. Der Staat versucht es ähnlich, stellt mehr und besser ausgerüstete Polizisten ein, baut Gefängnisse. Dies alles kann dazu führen, dass das BIP steigt. Aber ist das gut für das Land? Sind eine Menschen glücklicher? Und funktioniert deswegen die Wirtschaft besser?

Die meisten Experten seien sich daher einig, dass es mehr als einen Indikator für Wachstum brauche. Wie nachhaltig ist das Wachstum? Wie ökologisch? Was ist mit der Wohlfahrt? Persönliches oder gesellschaftliches Glück? Matthias Zimmer spricht von drei Hauptkriterien: mit ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Indizes solle künftig der Entwicklungsgrad einer Gesellschaft bestimmt werden. "Spannend wird es, wenn Wachstum nicht der einzige Indikator ist."

Hermann Ott nennt in diesem Zusammenhang das Jevins-Paradox: gesteigerte Effizienz führt nicht dazu, dass Ressourcen gespart würden, sondern dass noch mehr produziert, noch mehr verbraucht werde. Autos würden immer effizienter, doch die Verbraucher kaufen immer größere Kisten, der ökologische Gewinn, der im technologischen Fortschritt liegen könnte, ist dahin. Was tun? Gesetze einführen, die den Lebensstil regeln? Gibt es schon und bisher hat die steuerliche Verteuerung von Benzin etwa nicht dazu geführt, dass die Menschen kleinere Autos fahren. "wir müssen, und das ist gewiss nicht populär, davon abkommen, zu einfache Botschaften zu verbreiten. Es ist nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch für Deinen Geldbeutel - diese gern verkündete Wahrheit trifft nicht mehr zu."

Es dauert nicht lang bis die Diskutanden auf die "Frankfurter Schule" kommen. Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Matthias Zimmer hofft, vielleicht nicht ganz zu Unrecht, dass das Umdenken langsam einsetzt. Bei ihm hat es eingesetzt, während der Arbeit in der Enquete: "ich bin Teilzeitvegetarier geworden", sagt er. Immerhin ein erster Schritt. Und weiterhin hofft er, dass die preußischen Tugenden, die unsere Arbeitswelt bestimmten und dazu angetan wären, jenen kulturellen Wandel weg vom Wachstum einzuläuten, auch im Freizeitverhalten, in dem es keine Grenzen zu geben scheine, ihren Nachklang finden. Die Arbeitswelt humanisieren, die festgefahrenen Konsumstrukturen aufbrechen, das wäre das Ziel. Ökoautoritäre Lösungen lehnt Herr Zimmer jedenfalls ab. Herr Ott übrigens auch. Er favorisiert eher, Dinge einfach einmal auszuprobieren. Währungen oder das Grundeinkommen auf regionaler Ebene zum Beispiel. Und das obwohl Daniel Meadows den Politikern der Kommission die deprimierende Weisheit mit auf den Weg gab: es ist eigentlich zu spät, ihr hättet vor 40 Jahren diskutieren müssen.

Kündigt sich da eine schwarzgrüne Zusammenarbeit auf Bundesebene an, wo sich die beiden doch so herrlich verstehen? Schließlich gibt es auch in der CDU eine ziemliche Bandbreite an Meinungen, die andere Frankfurter Direktkandidatin neben Matthias Zimmer heißt Erika Steinbach. Damit wäre eigentlich alles gesagt. Auch zu einer schwarzgrünen Koalition im Bundestag. Frau Steinbach und Claudia Roth, das geht nicht zusammen. Aber man wächst ja aneinander. Vielleicht in vier Jahren dann. Matthias Zimmer sagt: "Ich hoffe, dass wir uns nach der Wahl in einer für uns alle befriedigenden Konstellation im Bundestag wiederfinden." Wie das gehen soll, wird man dann mal sehen. Auch, was mit den ins Blaue formulierten Vorschlägen der Enquete-Kommission wird.
 
30. Januar 2013, 10.44 Uhr
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