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Foto: Institut für Stadtgeschichte
Foto: Institut für Stadtgeschichte

Frankfurt jubelte – Teil eins

Wie die Stadt den Ausbruch des Ersten Weltkriegs erlebte

Vor 100 Jahren brach der 1. Weltkrieg aus. Nach der Mobilmachung Deutschlands zeigten sich Patriotismus und Begeisterung auch bei den Frankfurtern. In der weltoffenen Stadt machte sich Fremdenfeindlichkeit breit.
Als am frühen Nachmittag des 31. Juli 1914, einen Tag vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges, die Mobilmachung Russlands bekannt wurde, konnten die Frankfurter Banken und Sparkassen den Ansturm ihrer Kunden kaum bewältigen. Die Menschen hatten Angst um ihr Erspartes, sodass ihnen der Platz unter dem heimischen Kopfkissen für ihr Geld geeigneter schien. Die städtische Sparkasse reagierte und veröffentlichte eiligst ihre Bilanz in der Zeitung, um der Bevölkerung ihre Liquidität zu demonstrieren. Auch Lebensmittelgeschäfte wurden von Käufern überrannt. Unter der Überschrift „Übereilte Masseneinkäufe“ beschrieben die „Frankfurter Nachrichten“ das Szenario. Einige Filialen der großen Lebensmittelhändler waren ausverkauft. Auch regelmäßige und deutliche Hinweise auf eine unnötige Preissteigerung durch Hamsterkäufe brachten keine Entspannung. Die Händler versicherten zwar, dass sie genug Vorräte hätten, aber die Frankfurter Hausfrauen schenkten dem keinen Glauben.

Die Frankfurter Bäcker-Innung schaltete gar eine halbseitige Anzeige, welche sich mit der Überschrift: „Zur Aufklärung!“ an die Einwohner Frankfurts richtete. Eine gute Ernte sei zu erwarten, daher sollten bitte keine größeren Einkäufe getätigt werde, dadurch würde sich das Brot nur verteuern. Doch jede Aufklärung half nichts. Ebenfalls auffällig in den Zeitungen platziert waren die großen Werbeanzeigen von Bekleidungs- und Schuhgeschäften, welche sich mit Worten überschlugen und allesamt auf ihren Ausverkauf hinwiesen. Bald schon könnten die Käufer keinen Bedarf mehr an ziviler Kleidung haben, könnte man die Gedanken der Geschäftsinhaber interpretieren.

Tags darauf, am 1. August um 18.15 Uhr, verbreitete sich die Kunde der deutschen Mobilmachung. Zeitungsjungen auf dem Fahrrad fuhren umher, die Sonderausgaben unter dem Arm. Die Schreie „Mobil! Mobil!“ beherrschten die Innenstadt, das Bahnhofsviertel und die Gaststätten. Frankfurt glich in diesen Augusttagen einem Ameisenhaufen. Überall waren die Menschen unterwegs, sie lauerten gespannt auf neue Meldungen, oder wenigstens auf Gerüchte. Die durch den Kriegsausbruch entstandene Euphorie war in der ganzen Stadt zu spüren. Im Hauptbahnhof wurden die angekommenen Offiziere, die per Zug zu ihren Truppenteilen fahren wollten, bereits mit „Hurra“-Rufen von den Frankfurtern begrüßt. Menschen liefen durch die Straßen und feierten geradezu den Kriegsbeginn, schließlich hatten die wenigsten einen Krieg miterlebt, und das meiste, was sie vom Krieg 1870/71 wussten, war romantisch verklärt.

In den Kasernen meldeten sich viele Freiwillige, hauptsächlich Jugendliche und junge Arbeiter, die zum Teil aus ideologischer Überzeugung, zum Teil aus der Hoffnung auf Abwechslung zum trostlosen Alltag in den Krieg ziehen wollten. Auch die Studenten der Studentenverbindungen Chattia und Moenania, damals noch an der Handelshochschule, eines Vorgängerinstituts der Universität, zogen vom Patriotismus beseelt ins Feld.

Eine große Menschenmenge pilgerte am Abend der Mobilmachung zum Haus des leitenden Generals des von Frankfurt aus kommandierenden Armeekorps zum Untermainkai. Die meist jugendlichen Frankfurter wurden vom General in einer Ansprache hoffnungsvoll auf den Krieg eingestimmt. Als Antwort tobte dem General die „Wacht am Rhein“ entgegen. Gleichzeitig sammelten sich erneut viele Frankfurter vor dem Hauptbahnhof, die sich in patriotischer Stimmung dem „Augusterlebnis“ hingaben. Nicht weit vom Hauptbahnhof entfernt setzte sich am Abend die Fahnenkompanie des Infanterie-Regiments aus der Gutleutkaserne in Bewegung. Sie zog zum Kommandierenden General, um dort die Feldzeichen abzuholen.

Die generelle Begeisterung über den Kriegsbeginn motivierte manche Frankfurter zu Aktivitäten, die nicht nur ungewöhnlich, sondern beinahe grotesk wirkten. Damen in feinster Garderobe, die sonst von einer Dienerschaft umsorgt wurden, standen nur einen Tag nach dem Beginn der Mobilmachung mit hochgekrempelten Ärmeln an den Gleisen im Hauptbahnhof und spülten Tassen für Kaffee und Suppe, welche die zur Front fahrenden Soldaten stärken sollten.

Die Mobilmachung änderte nicht nur das Straßenbild, auch die Sprache war vom Krieg betroffen. Diese Wandlung von der weltoffenen Stadt Frankfurt ging blitzschnell. Wer vorher noch im besten Frankfurterisch „Merci!“ sagte, strich den Begriff sogleich aus seinem Wortschatz. In Schulen wurde es für besonders „vaterländisch“ erklärt, Englisch und Französisch zu vernachlässigen. Hotels und Restaurants mit internationalen Namen wie beispielsweise der Englische oder Russische Hof reagierten sofort auf den Kriegsbeginn und benannten ihre Häuser um. Der Englische Hof nannte sich fortan Hessischer Hof, verzichtete allerdings auf der Speisekarte oder in Werbeanzeigen nicht darauf, in Klammern oder mit dem Hinweis „vormals“, den alten Namen weiterhin zu führen. Das „Serbische Reisfleisch“ wurde ohne Verzögerung von den Karten Frankfurter Gaststätten gestrichen.
 
31. Juli 2014, 17.05 Uhr
pia / Henning Roet de Rouet
 
 
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