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Foto: Lukas Gedziorowski
Foto: Lukas Gedziorowski

Ottmar Hörls Einheitsmann

Einheitsbrei

Auf dem Paulsplatz gibt es einen neuen Hingucker: ein riesiges grünes Ampelmännchen im Ossi-Stil. Gemacht hat es der Künstler Ottmar Hörl. Der große hat 1000 kleine Brüder. Was soll das? Eine Analyse.
Den Luther hat er gemacht, den Marx und den Wagner, Karl den Großen und auch den Dürer-Hasen, zuletzt den Goethe auf dem Campus Westend. Immer Plastik, immer knallbunt, immer hundert- bis tausendfach. Das ist halt Ottmar Hörls Ding, immer das Gleiche zu machen und das Gleiche dann auch zu wiederholen. Man muss ja nicht jedes Mal das Rad neu erfinden - auch als Künstler nicht. Andy Warhol hat unseren Städel-Goethe auch nur abgemalt und dann ein paar mal nachgedruckt. Die Kunst hat ihre eigenen Gesetze (auch wenn sie niemand kennt).

Und jetzt steht da vor der Paulskirche ein grünes Männchen. Eher ein Riese. Den Bürgermeister wird's freuen angesichts der nahen Kommunalwahl, der Kämmerer wird sich ärgern, da es direkt vor seinem Büro steht. Das grüne Männlein lächelt wie ein Gartenzwerg, trägt Hut und zugeknöpften Mantel. Im Profil erkennen wir einen Ampelmann im Ossi-Stil, mit ausladendem Schritt und einer expressiven Handbewegung. Mehr ein Marschieren als ein Gehen. "Grenzen überwinden", steht auf dem Sockel. Wenn das ein Imperativ sein soll, verwirrt er: Als ob die Deutschen 1914 und 1939 nicht schon genug Grenzen überwunden hätten, als ob es in Europa kein Schengen-Abkommen gäbe, als ob in den vergangenen 25 Jahren nicht genug Wohlstandstouristen einerseits und Berlin-Pilger andererseits von ihrer Reisefreiheit Gebrauch gemacht hätten.

Das Ding gibt's aber nicht nur einmal. Gleich 1000 Stück hat Landesvater Volker Bouffier (CDU) in seiner Weisheit beim Hörl bestellt. Weil doch 25 Jahre Deutsche Einheit anstehen und die Feier in Frankfurt stattfinden soll, der eigentlichen, heimlichen Hauptstadt der Bundesrepublik seit 1949. Die kleinen Hörls haben etwas über Gartenzwergformat und kommen in vier Farben daher: schwarz, rot, gelb und besagtem grün. Also einmal durch die Bundesflagge mit Abstecher zur Ampelfarbe. Oder einmal durch die Fraktionen im Parlament - allerdings nicht in Relation zur Sitzverteilung. Oder die Farben des Deutschen Fußball-Bundes (vielleicht auch ein Statement gegen die Galopprennbahn?).

Und dann noch der Name: Einheitsmann bzw. -männchen. Abgesehen davon, dass bald ein #Aufschrei durchs Land gehenn könnte, hätte das auch der Titel für jedes serielle Hörl-Werk sein. Am bedenklichsten ist aber die Bedeutung, die man darin lesen kann: Was sagt das über die Deutschen aus? Im Gleichschritt marschierende Mitläufer? Bunte Konformisten? Selbstzufriedener Männerclub zugeknöpfter Spießbürger? Einheitsmann, das ist nicht weit weg von Einheitsbrei.

Doch schaut man dem grünen Ossi länger ins Gesicht, kommt es einem vor, als hätte man den Kerl irgendwo schon mal gesehen, man erkennt eine Ähnlichkeit zu einer Persönlichkeit der Zeitgeschichte, ja es wirkt, als würde der Künstler Ottmar Hörl persönlich da so selbstgefällig vor sich hingrinsen. Der Mann hat sich nach all der in Plastik gegossenen Prominenz deutscher Geistesgeschichte endlich selbst ein Denkmal gesetzt - in einer Reihe mit Karl, Luther, Goethe, Marx, Wagner und dem Dürer-Hasen. Einerseits verständlich: Bescheidenheit hat noch keinen Künstler satt gemacht. Andererseits machen die Hörls jetzt bundesweit die Runde, als Repräsentanten deutscher Einheitsmänner, was doch wie ein wenig zu viel des Guten dünkt.

Wer sich davon nicht repräsentiert fühlt, muss sich nicht ärgern: Da feiert einer nur sein Ego. Ein Jubiläum gar: Schon 65 Jahre lang ist Ottmar Hörl ziemlich eins mit sich selbst. Zur dicken Einheitssause am 3. Oktober könnte man die Hymne in ein Ständchen verwandeln: "Einheitsmann und Hörl und (künstlerische) Freiheit für das deutsche Vaterland" ... oder so ähnlich.
 
15. Mai 2015, 10.00 Uhr
Lukas Gedziorowski
 
 
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