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Safranski und Bohnenkamp über Goethe und Marianne
Poetische Ausbeutung
Hat Goethe Marianne von Willemer nur für seine Dichtung benutzt? Rüdiger Safranski und Anne Bohnenkamp haben im Goethehaus über das Verhältnis zwischen dem Poeten und seiner Muse diskutiert - mit wohlwollendem Urteil.
So sollst du, muntrer Greis,
Dich nicht betrüben,
Sind gleich die Haare weiß
Doch wirst du lieben
So dichtete Goethe im Sommer 1814 - als hätte er das Kommende erahnt. Denn dieser Sommer sollte für den Poeten ein bedeutsamer werden: Zum ersten Mal seit 17 Jahren reiste er in seine Geburtsstadt Frankfurt, Jugenderinnerungen kamen hoch, im Gepäck hatte er Gedichte des persischen Dichters Hafis.
Und dann, bei einem Besuch des Bankiers Johann Jakob Willemer, begegnete Goethe Marianne. Es sollte eine schicksalshafte Begegnung werden. Denn inspiriert von Hafis und der dichterisch begabten Dame kam es zu einem produktiven Austausch von Versen im Hafis-Stil. Daraus machte Goethe später die Lyrik-Sammlung "West-östlicher Divan" - inklusive einiger Marianne-Gedichte, allerdings ohne sie als Mitautorin zu nennen.
Hat Goethe also Marianne nur ausgenutzt? War die Freundschaft nur Mittel zum Zweck eigener poetischer Produktion? Der Goethe-Biograf Rüdiger Safranski und Anne Bohnenkamp-Renken, Direktorin des Freien Deutschen Hochstifts, sind diesen und noch anderen Fragen am Donnerstagabend im Goethe-Haus nachgegangen.
Safranski argumentierte im Sinne der These seiner Biografie: Goethe hat sein Leben als Kunstwerk gestaltet. Leben und Kunst bildeten eine Einheit. Die Literatur beeinflusste sein Leben und die Erlebnisse wiederum seine Literatur. "Goethesche Zangenbewegung", nannte Safranski das. Insofern habe Goethe das Gefühl, das er für Marianne empfand, ausgenutzt, um eine "poetische Steigerung" zu erfahren. Safranski sprach zwar von einer "sublimen Ausbeutung", wollte diese aber nicht moralisch verurteilen, denn immerhin hatte auch Marianne an diesem "kostbaren lyrischen Exzess" partizipiert.
Bohnenkamp wies darauf hin, dass Marianne den Abdruck ihrer Gedichte unter Goethes Namen nicht als Enteignung empfunden habe, sondern "zutiefst beglückt" gewesen sei, ihre Gedichte in seinem Oevre wiederzufinden. Die Tatsache, dass Goethe ihr eine Ausgabe des Divan schickte, wertete Bohnenkamp als "entscheidenden Liebesbeweis".
Auch deswegen kommt Marianne unter Goethes Musen eine Sonderstellung zu. Safranski bezeichnete die Begegnung als "glückliches Ereignis schlechthin", womit er eine Parallele zu Goethes Freundschaft mit Schiller zog. Die Schauspielerin und Tänzerin Marianne sei geradezu prädestiniert gewesen, mit Goethe das lyrische Rollenspiel zu betreiben. Oder, um es mit dem Titel der Veranstaltung zu benennen, ein "lyrisches Wechselspiel der Liebe".
Dich nicht betrüben,
Sind gleich die Haare weiß
Doch wirst du lieben
So dichtete Goethe im Sommer 1814 - als hätte er das Kommende erahnt. Denn dieser Sommer sollte für den Poeten ein bedeutsamer werden: Zum ersten Mal seit 17 Jahren reiste er in seine Geburtsstadt Frankfurt, Jugenderinnerungen kamen hoch, im Gepäck hatte er Gedichte des persischen Dichters Hafis.
Und dann, bei einem Besuch des Bankiers Johann Jakob Willemer, begegnete Goethe Marianne. Es sollte eine schicksalshafte Begegnung werden. Denn inspiriert von Hafis und der dichterisch begabten Dame kam es zu einem produktiven Austausch von Versen im Hafis-Stil. Daraus machte Goethe später die Lyrik-Sammlung "West-östlicher Divan" - inklusive einiger Marianne-Gedichte, allerdings ohne sie als Mitautorin zu nennen.
Hat Goethe also Marianne nur ausgenutzt? War die Freundschaft nur Mittel zum Zweck eigener poetischer Produktion? Der Goethe-Biograf Rüdiger Safranski und Anne Bohnenkamp-Renken, Direktorin des Freien Deutschen Hochstifts, sind diesen und noch anderen Fragen am Donnerstagabend im Goethe-Haus nachgegangen.
Safranski argumentierte im Sinne der These seiner Biografie: Goethe hat sein Leben als Kunstwerk gestaltet. Leben und Kunst bildeten eine Einheit. Die Literatur beeinflusste sein Leben und die Erlebnisse wiederum seine Literatur. "Goethesche Zangenbewegung", nannte Safranski das. Insofern habe Goethe das Gefühl, das er für Marianne empfand, ausgenutzt, um eine "poetische Steigerung" zu erfahren. Safranski sprach zwar von einer "sublimen Ausbeutung", wollte diese aber nicht moralisch verurteilen, denn immerhin hatte auch Marianne an diesem "kostbaren lyrischen Exzess" partizipiert.
Bohnenkamp wies darauf hin, dass Marianne den Abdruck ihrer Gedichte unter Goethes Namen nicht als Enteignung empfunden habe, sondern "zutiefst beglückt" gewesen sei, ihre Gedichte in seinem Oevre wiederzufinden. Die Tatsache, dass Goethe ihr eine Ausgabe des Divan schickte, wertete Bohnenkamp als "entscheidenden Liebesbeweis".
Auch deswegen kommt Marianne unter Goethes Musen eine Sonderstellung zu. Safranski bezeichnete die Begegnung als "glückliches Ereignis schlechthin", womit er eine Parallele zu Goethes Freundschaft mit Schiller zog. Die Schauspielerin und Tänzerin Marianne sei geradezu prädestiniert gewesen, mit Goethe das lyrische Rollenspiel zu betreiben. Oder, um es mit dem Titel der Veranstaltung zu benennen, ein "lyrisches Wechselspiel der Liebe".
26. September 2014, 11.53 Uhr
Lukas Gedziorowski
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