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Meinhofs letzte Stunden

Ich, Ulrike, schreie!

Seit zwei Jahren lebt die gebürtige Frankfurterin als Schauspielerin in Marseille. Nun kehrt Miriam Meurers mit einem Stück über die letzten Stunden Ulrike Meinhofs im Stammheimer Gefängnis nach Frankfurt zurück.
„Ich bin nicht Ulrike Meinhof“, konstatiert Miriam Meurers, um gleich der häufig gestellten Frage nach der Identifikation mit der Rolle weitestgehend aus dem Wege zu gehen. Denn die 31-jährige Schauspielerin wird in den nächsten Tagen an verschiedenen Orten in Frankfurt eine Rolle spielen, die ihr, so sagt sie, körperlich und auch psychisch viel abverlangt.

Eingeschlossen in „weiße Stille“ und ein "Grab des Schweigens" – in einem Theater-Monolog schreit Miriam in der Rolle der Ulrike Meinhof voller Wut, Wahnsinn und Verzweiflung aus dem Stammheimer Gefängnis ihre Anklagen gegen "diese Sozialdemokratie, die sich anschickt, mich umzubringen". Das Stück zeigt eine mechanische Wiederholung, eine Choreografie der Gefangenschaft Ulrike Meinhofs, die sich bis zur geistigen Erschöpfung immer weiter um sich selbst dreht. Dennoch bleibt bis zum Ende der Versuch, sich zu befreien – mit Gesten und Worten, die letzten Stunden Ulrike Meinhofs, die sich am 9. Mai 1976 in ihrer Zelle in der "Waschmaschine Stammheim" erhängte, beschreibend.

Autor dieses fiktiven Monologs, den die Sozialpädagogin zusammen mit dem französischen Regisseur Antoine Meunier in ein packendes Stück, eine sich endlos drehende Performance, verwandelt, ist Dario Fo, Enfant terrible des linken italienischen Theaters.

Erstmals wird Miriam hier in Frankfurt dieses Stück auf deutsch, und nicht wie sonst, auf französisch spielen. Seit zwei Jahren ist sie Mitglied der Theater-Company Théâtre de l’Arnaque in Marseille, wo die gebürtige Frankfurterin mit französischen Wurzeln am 2. August 2011 im Rahmen des internationalen Austauschprogramms über die Uni Frankfurt ihre Zelte aufschlug. Seither lebt und arbeitet Miriam als Schauspielerin in der französischen Hafenstadt. „Ich hatte schon immer den Wunsch, nach Frankreich zu gehen. Meine Mutter kommt aus der Nähe von Marseille und ich habe hier als Kind viel Zeit verbracht und diese sehr genossen. Vor zwei Jahren habe ich dann meine Koffer gepackt und bin nach Marseille gezogen.“ Eigentlich wollte sie dort ihr Studium beenden, „doch ich habe gemerkt, dass ich einfach nur Theater spielen will und nichts anderes“, sagt sie mit leuchtenden Augen. Sie und ihre Company-Kollegen des Théâtre de l‘Arnaque spielen häufig „auf Hut“ – freier Eintritt für alle, nur wer kann und will, gibt nach der Vorstellung, wenn der Hut die Runde macht, was er kann und mag. „Wir wollen Theater für jeden zugänglich und soziale Realitäten wieder ins Bewusstsein rücken,“ erklärt Miriam das Credo der Company. Häufig proben sie in besetzten Häusern und bespielen öffentliche Plätze, bewegen sich dabei zwischen zeitgenössischer Kunst, theatralem "Clowntum“ und sozialer Realität.

Dass es schwierig werden könnte, sich in der Theaterszene durchzuschlagen, daran habe sie eigentlich nie gedacht, sagt Miriam. Sie will einfach nur Theater spielen. Und so gibt sie Kurse im Theateratelier und mimt als Statistin schwerkranke Patienten für Examensprüfungen in Krankenhäusern, um sich etwas dazu zu verdienen. „Allein von der Schauspielerei am Theater leben zu können, ist absoluter Luxus, vor allem in einer so unglaublich armen Stadt wie Marseille“, weiß sie heute, lässt sich aber von ihrem Traum und ihrer Passion nicht abbringen. „Wenn ich längere Zeit nicht spiele, bin ich völlig aufgedreht und meine Freunde sagen dann häufig, ich solle endlich mal wieder auf die Bühne, um mich abzureagieren.“

Und Theater spielen wird sie nun auch hier, in ihrer Heimatstadt, im Cafè Wiesengrund, im Club Voltaire und in der für dieses Stück womöglich aufregendsten Location: dem alten Polizeigefängnis im Klapperfeld. Miriam ist aufgeregt und gespannt auf die Reaktionen des Publikums. „Sicherlich werden die Leute hier völlig anders reagieren, als in Frankreich“, vermutet sie. „Gerade hier in Frankfurt gibt es bestimmt noch einige Leute, die sich an die Zeit der R.A.F. erinnern, die mit den Mitgliedern zusammen studiert oder sie anderweitig gekannt haben. Ulrike Meinhof soll ja, wie mir erzählt wurde, auch öfter im Club Voltaire gewesen sein. Das ist total spannend, aber auch eine riesige Herausforderung, denn ich werde häufig, wenn ich das Stück gespielt habe, mit der Person Ulrike Meinhof assoziiert und das ist ungeheuer schwierig für mich.“ Und dennoch lässt sich Miriam immer wieder neu auf diese Rolle ein, so auch hier in Frankfurt.


25. August, 20:00 Uhr: Klapperfeld
27. August, 20:00 Uhr: Café Wiesengrund
29. August, 20:00 Uhr: Club Voltaire

Der Eintritt ist kostenlos. Wer mag, kann nach der Vorstellung seinen ganz persönlichen Beitrag in den Hut werfen.
 
21. August 2013, 10.44 Uhr
Miriam Mandryk
 
 
Fotogalerie: Ich, Ulrike, schreie!
 
 
 
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