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Foto: Detlef Kinsler
Foto: Detlef Kinsler

Emirsian & Freunde

Raus aus der emotionalen Sackgasse

Ist Versöhnung nach einem Völkermord und dessen anhaltender Verleumdung überhaupt möglich? Der armenische Musiker Aren Emirze versucht die Annäherung der verfeindeten Parteien im Interview zu erklären.
JOURNAL FRANKFURT: Die Idee ist keine neue, ein Konzert als Geste der Versöhnung zwischen Armeniern und Türken hattest Du schon länge auf der Agenda, nur dauerte die Realisation länger als geplant – war es doch schwieriger als gedacht alles an den Start zu bringen?

Aren Emirze: Zuallererst und vor allem hat es einfach zeitlich nicht gepasst. Ich schreibe immer noch an meinem ersten deutschsprachigen Album, das ich jetzt als Duo mit einem befreundeten Musiker angehen werde. Außerdem habe ich ein armenisches Album in Los Angeles fertiggestellt welches hoffentlich im April 2016 erscheinen wird. Auch hatte das Umfeld für ein solches Konzert einfach nicht gepasst. Umso glücklicher war ich dann als man mir Mitte des Jahres das Angebot machte, ein Gedenkkonzert im Mousonturm zu geben und Ich in diesem Rahmen auch etwas von der Versöhnungsidee einfließen lassen konnte. Danach ging alles ziemlich schnell....


Jetzt fällt das Konzert im Mousonturm ins Jubiläumsjahr des Genozids. Im April gab es dazu „Feierlichkeiten“. Du warst in Jerewan. Wie hast Du das erlebt?


Die Gedenkfeiern zum 100. Jahrestag des Völkermordes in Jerewan erlebte ich auf der einen Seite als eine unglaublich intensive Erfahrung, die mir die Schönheit dieses fantastischen Landes näherbrachte, die mich mit Ihrer uralten Kultur immer wieder aufs Neue beeindruckte, mir aber auch bewusst machte mit was für einer offenen Wunde wir Armenier existieren müssen solange der Genozid nicht endlich weltweit und besonders von der türkischen Regierung anerkannt wird. Auf der anderen Seite wurde ich von diesem, ich will es mal „Genozidmarketing“ nennen, emotional etwas aus der Bahn geworfen. Ich war in Armenien um in dem Film „Armenia“ mitzuwirken, der Anfang 2016 erscheinen wird. Bei der Presse Akkreditierung gab man mir unter anderem eine Genozid Tasche, einen Genozid Kugelschreiber, einen Genozid Memorystick und andere Genozid Gimmicks was mir dann doch etwas zu viel des Guten war. Ich bin mit dieser traumatisierenden Opferrolle groß geworden, dieses „Opfersein“ verbindet ein stückweit alle Armenier und Diaspora Armenier auf dieser Welt, besonders, weil dieses grauenhafte Geschehen von 1915 durch die konsequente Verleumdung der Täter uns jedes Mal aufs Neue verfolgt, traurig und wütend macht. Irgendwann versuchte ich jedoch aus dieser emotionalen Sackgasse auszubrechen, nach vorne zuschauen und aus eigener Initiative Dinge zu tun die einem das Gefühl geben nicht mehr ausschließlich Opfer zu sein, wie zum Beispiel armenische Alben aufzunehmen oder Konzerte zu geben.

Ein halbes Jahr später kommt jetzt Dein ganz persönliches Statement mit Emirsian & Freunden unter dem Motto „Abril te voch yerazel - Leben oder Träumen“ auf die Bühne. Ein Konzert zum Gedenken an den armenischen Völkermord. Warum ist Dir das wichtig und an wen richtest Du Dich damit?


Als gebürtiger Armenier und direkt Betroffener dieses Genozids, – da meine Urgroßmutter die Gräueltaten nur mit viel Glück überlebte und dadurch meines Vaters und schlussendlich meine Existenz sicherte– , ist es meine Pflicht als Mensch und Vater, immer wieder auf dieses bis heute nicht weltweit anerkannte Verbrechen hinzuweisen und es ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen. Als Musiker habe ich Gottseidank das Privileg durch zum Beispiel Konzerte oder Interviews dies zu tun.

Deine akustische Band Emirsian hast Du ja anders als andere Projekt als ganz persönliche Identitätssuche eines Armeniers in Deutschland begriffen. Da konnte nach all den Persönlichen das Politische nicht ausbleiben?


Als Armenier vermischen sich diese beiden Welten zwangsläufig irgendwann.
Je mehr ich das armenische bei Emirsian einbrachte desto „politischer“ wurden die Interviews, die Ansagen auf Konzerten. Der armenische Genozid und die damit verbundene Ungerechtigkeit sind immer noch allgegenwärtig. Deswegen ist eine politische Komponente in diesem Zusammenhang auch in der Emirsian Welt nur eine natürliche Entwicklung die ich nicht stoppen konnte.

Du hast neben Deiner Band Gäste eingeladen. Wer sind sie und warum sind ausgerechnet sie dabei?

Ich habe einige Gäste. Unter anderem ist Der Frankfurter Musiker Chima dabei, mit dem ich einen deutschen Song singen werde. Wir beide kennen uns seit einigen Jahren und haben Beide große Parallelen bezüglich unserer Identitätsfindung.

Außerdem ist die armenisch stämmige die Sängerin/Akkordeonistin Sevanne Stepanian aus Paris und die Opernsängerin Zara Hakobyan dabei um andere Facetten armenischer Musik aufzuzeigen. Auch meinen türkischen Freund Aydo Abay, ehemals Sänger der Alternative-Band Blackmail, den ich von Meinen Harmful Zeiten her kenne, habe ich eingeladen, mit mir ein armenisches Lied singen wird. Besonders um ein Zeichen zu setzen, dass die zwischenmenschliche Versöhnung zwischen Armeniern und Türken auch oder gerade fernab der Politik beginnen muss und möglich ist.

Mit Chima ist ein Frankfurter Künstler mit nigerianischem Background dabei. Die Botschaft des Abends geht also über die armenisch-türkische Thematik und die eigene Traumbewältigung weit hinaus... Am Ende geht es ganz übergreifend vielleicht ja auch darum wie Menschen generell miteinander umgehen. Gerade zu Zeiten der Flüchtlingswelle und Pegida etc. aktueller denn je. Spielt das auch mit in euer „Konzept“ hinein?

Absolut. Chima und ich kennen uns seit einigen Jahren. Wir Beide sind deutsche mit armenischen bzw. nigerianischen Wurzeln und haben durch unsere Herkunft mit den gleichen Vorurteilen zu kämpfen. Er steht kulturell genauso zwischen den Stühlen wie ich. Deswegen passt der Konzertabend auch thematisch in die aktuelle Flüchtlingsdebatte, weil wir uns zuallererst als Menschen sehn sollten, bevor wir mit legal oder illegal bzw. Schuld oder nicht Schuld Adjektive aus den Ärmeln schütteln die genau dem entgegenwirken.


>> Emirsian & Freunde, Ffm, Mousonturm, 7.11., 21 Uhr, Eintritt: 27,–
 
1. November 2015, 09.00 Uhr
Detlef Kinsler
 
Detlef Kinsler
Weil sein Hobby schon früh zum Beruf wurde, ist Fotografieren eine weitere Leidenschaft des Journal-Frankfurt-Musikredakteurs, der außerdem regelmäßig über Frauenfußball schreibt. – Mehr von Detlef Kinsler >>
 
 
Fotogalerie:
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