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Wolfsmanagement: Parteien fordern Abschuss

Hessens „Problemwölfe“

Seit einigen Jahren werden in Deutschland wieder Wölfe gesichtet. Über den Umgang mit den einst als ausgerottet geltenden Tieren wird zunehmend gestritten. Herdenhalter beklagen gerissene Tiere, auch in Hessen. Doch dürfen die Wölfe deshalb zum Abschuss freigegeben werden?
Vor rund 20 Jahren ist der Wolf, nachdem er 150 Jahre als ausgerottet galt, nach Deutschland zurückgekehrt. Wurden laut dem Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umweltschutz und Geologie 2017 noch fünf Wölfe in Hessen gesichtet und 2018 gar keine, waren es in diesem Jahr bisher bereits 35 Wölfe. Eine Sichtung allein beweise jedoch noch nicht, ob die Wölfe dauerhaft bleiben, so Mark Hartun, Naturschutzreferent des Naturschutzbundes (NABU) Hessen. Erst zwei Sichtungen in einem Zeitraum von sechs Monaten ließen den Schluss zu, dass der Wolf oder die Wölfin dauerhaft in einer Region bleibe. Laut der Bundesregierung sollen sich in Deutschland insgesamt wieder 70 Wolfsrudel angesiedelt haben.

Grundsätzlich sei die Rückkehr des Wolfs nach Deutschland zu begrüßen und bringe viele positive Wirkungen für das Ökosystem mit sich. „In einem dichtbesiedelten Land wie der Bundesrepublik muss jedoch auch sichergestellt sein, dass Weidetiere wie Schafe, Kühe und Pferde gut geschützt leben können“, so die Bundesregierung. In Hessen fordern Politikerinnen und Politiker der FDP, CDU und der AfD daher zunehmend den Abschuss von sogenannten „Problemwölfen“. Der Begriff erinnert stark an Edmund Stoibers (CSU) „Problembär“, auch bekannt als „JJ1“ oder „Bruno“. Der Braunbär wurde 2006 trotz massiver Proteste in Bayern erlegt, nachdem er zuvor von Italien aus eingewandert war.. Auch die Junge Union Hessen, spricht in einer Stellungnahme von Februar 2019 von „Problemwölfen“ und fordert den Abschuss der Tiere als „Ultima Ratio“.

Doch was ist ein „Problemwolf“ überhaupt? Damit sind beispielsweise Tiere gemeint, die Weide- und Nutztiere töten. Das kam in Hessen in den vergangenen Monaten vor allem im Werra-Meißner-Kreis, in Hersfeld-Rotenburg, im Vogelsbergkreis und im Schwalm-Eder-Kreis vor. Im Jahr 2019 rissen Wölfe in Hessen insgesamt 27 Schafe aus zwölf Herden. 2020 waren es 20 Schafe, Kälber und Ziegen. Wiebke Knell, jagd- und landwirtschaftspolitische Sprecherin der FDP im Hessischen Landtag, spricht sich klar für einen Abschuss der „verantwortlichen“ Wölfe aus.

Laut Knell, die vergangene Woche die betroffenen Orten besuchte, hätten die Menschen Angst vor der Wölfin, die immer regelmäßiger durch die Ortschaften streife. „Wenn ein Wolf sich auf ihre Terrasse setzt und dort ein ganzes Reh frisst, kann das ein traumatisierender Anblick sein. Und für die Weidetierhalter ist es auch sehr schlimm, eines ihrer Tiere in so einem Zustand zu sehen.“ Dass der Wolf Menschen anfallen würde, glaubt sie jedoch nicht.

„Die Menschen fühlen sich bedroht durch die Wölfe und allein gelassen von der Landesregierung, deren Maßnahmen das Problem nicht lösen“, so Knell. Das Wolfsmanagement der Landesregierung sei damit gescheitert. Auflagen für höhere Zäune, die der Wolf ohnehin überwinden könne, reichten nicht. „Jeder Hund kann höher als einen Meter springen, ein 90 Zentimeter hoher Zaun kann da wenig ausrichten.“ Nun müsse schnell gehandelt werden, bevor die Wölfinnen sich fortpflanzten; Rüden habe man in der Vogelsbergregion bereits gesichtet. Die Weidetierhalter und Anwohnenden fordern von Umweltsministerin Priska Hinz (Bündnis 90/Die Grünen), die Wölfin zu „entnehmen“.

Bundesregierung erlaubt Abschuss von Wölfen bei „ernstem Schaden“

Auf Bundes- und Landesebene ist eine solche Regelung zum Abschuss von Wölfen bereits verankert und wurde im Februar dieses Jahres zusätzlich verschärft. „Nach der intensiven öffentlichen Diskussion über den Umgang mit Wölfen und nach zahlreichen Tierrissen soll das Gesetz nun vor allem Rechtssicherheit schaffen, wann eine Genehmigung erteilt werden kann, um Wölfe zu töten“, heißt es in einer Stellungnahme der Bundesregierung von Februar 2020. Die Praxis habe gezeigt, dass der bisherige Umgang „zu unscharf“ gewesen sei. Oft sei unklar, welcher Wolf genau die Herdentiere gerissen habe. Zudem sei es bislang nicht ohne weiteres möglich gewesen, mehrere Tiere aus einem Rudel zu entnehmen. So erlaubt nun das Entstehen eines „ernsten Schadens durch den Wolf“ bereits das Töten des Tieres. Zuvor hatte das Gesetz lediglich einen „erheblichen Schaden“ gefordert. Auch die Tötung von sogenannten Wolfshybriden, einer Mischung aus Wolf und Hund, solle mit der Gesetzesänderung möglich sein. Dieser gefährde zudem den Bestand der Wolfsrudel und damit den Artenschutz des Wolfes.

Für die kommende Woche kündigte das Hessische Umweltministerium an, einen neuen Wolfsmanagementplan erörtern und dabei auch die Tierhalterinnen und Tierhalter einbeziehen zu wollen. Das sei keine direkte Reaktion auf die Forderung der FDP, das Wolfsmanagment zu überdenken, sondern schon seit März geplant, so eine Sprecherin des Hessischen Umweltministeriums. Neben dem Plan wolle man weitere Förderinstrumente zum Schutz der Tiere vorstellen.

Der NABU Hessen begrüßt den Umgang der Landes- und Bundesregierung mit dem Wolf weitestgehend, differenziert aber zwischen der Gesetzgebung und der Forderung der FDP. „In dieser Situation halten wir den Abschuss nicht für sinnvoll. Es sind die ersten Tiere in diesem Gebiet und sie sind nicht Teil eines größeren Rudels“, so Mark Hartun, Naturschutzreferent des NABU Hessen. Erst wenn Zäune und andere Sicherheitsmaßnahmen nicht mehr halfen, würde ein Abschuss in Betracht gezogen werden. „Ein gewisser Grundschutz der Herde ist tierschutzrechtlich vorgeschrieben. Auf die Ankunft der Wölfe haben jedoch nicht alle Wiedertierhalter in den betroffenen Gebieten mit weiteren Maßnahmen reagiert“, so Hartun.

Teure Wolfsjagd

Zudem fehlten vielen Weidetierhaltern die Kenntnisse dafür, wie ein solcher Zaun ordnungsgemäß angebracht wird, erklärt Hartun. „Sie brauchen mehr Unterstützung durch die Landesregierung, was den Schutz vor Wölfen angeht.“ Im Februar führte die Hessische Landesregierung deshalb auch eine Weidetierprämie mit einem Etat von einer Millionen Euro ein, der mit dem Gießkannenprinzip an die Landwirte verteilt wird; die konkrete Verwendung des Geldes wurde damit jedoch nicht vorgeschrieben, noch, ob beispielsweise eine Fachkraft die Anbringung eines Zauns übernimmt.

Der Förderungsbetrag richtet sich dabei nach der Anzahl der Tiere. „Besonders in den betroffenen Gebieten muss der Herdenschutz in Hessen verstärkt werden, dabei soll auch der Einsatz von Herdenhunden gefördert werden“, so Hartun. Anders als Hütehunde, wüchsen die Herdehunde mit der Herde auf und lebten mit dieser, sie seien auch im Stande, einen Wolf abzuwehren. „In Sachsen und Brandburg funktioniert das beispielsweise sehr gut.“

Wiebke Knell hält die Herdenhunde dagegen nicht für eine optimale Lösung: „Die Hunde kosten in der Anschaffung 3000 bis 5000 Euro, im Unterhalt dann auch wieder mehrere Hundert Euro. Für kleine Betriebe ist das nicht wirtschaftlich.“ Zudem sei es auch tierrechtlich schwierig, dass der Hund sich in einem von einem elektrischen Zaun eingegrenzten Bereich aufhalte und dass man den Hund gewissermaßen darauf ansetze, mit einem Wolf zu kämpfen. „Der Herdenhund erkennt vielleicht auch einen Radfahrer als Gefahr für die Herde“, so die Argumentation Knells.

Neben der Weidentierprämie existiert vom Land Hessen auch die flächenbezogene Herdenschutzprämie, mit der den Tierhalterinnen und -haltern 40 Euro pro Hektar zustehen. Diese Prämie gilt ausschließlich für Schaf- und Ziegenhalter, die mindestens vier Tiere und zwei Hektar Weidefläche besitzen. Mit einer Antragsstellung verpflichteten sich Weidetierhalter zu einem Herdenschutz nach guter fachlicher Praxis mit täglichen Zaunkontrollen und einer Einzäunung mit einem Elektrozaun in Höhe von mindestens 90 Zentimetern, alternativ sei auch ein Festzaun in einer Höhe von 120 Zentimetern und zusätzlicher Elektroleitung möglich, so das Hessische Umweltministerium.

Am Beispiel von Niedersachsen habe man erkennen können, wie teuer die Wolfsjagd sei; dieses Geld solle besser weiterhin in die Prävention gesteckt werden, merkt Hartun an. „Selbst, wenn die Wölfe erschossen werden, heißt es nicht, dass andere Wölfe nicht im nächsten Jahr wiederkommen.“ Problematisch wäre es außerdem, wenn man dabei das Leittier eines Rudels erwischen würde. „Der Leitwolf ist meistens das Tier mit der besten Jagderfahrung, und damit auch im Stande, beispielsweise einen Hirsch zu reißen. Ist dieser weg, ist es nur wahrscheinlicher, dass der Rest des Rudels sich leichte Beute sucht. Das sind in diesem Fall Nutztiere.“
 
13. August 2020, 12.52 Uhr
Johanna Wendel
 
Johanna Wendel
Jahrgang 1993, Technikjournalismus-Studium an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, seit Januar 2019 beim Journal Frankfurt. – Mehr von Johanna Wendel >>
 
 
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