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Asylrecht

"Ich möchte in Frankfurt bleiben für den Rest meines Lebens"

Yahye Adan Duale ist erst 17 Jahre alt, hat aber eine wahre Odyssee hinter sich. Jetzt, wo er angekommen ist, soll er nach Polen abgeschoben werden. Sein Fall zeigt nur eine von vielen Unzulänglichkeiten des Asylrechts.
Yahye Adan Dualle versteckt einen kräftigen Oberkörper unter weiten Klamotten, hat eine blaue Baseball-Kappe schief auf den Kopf gesetzt, nimmt sich im Laden der Stadtteilinitiative Koblenzer Straße einen Stuhl. Dann erzählt er, wie er nach Frankfurt gekommen ist. Es ist eine Geschichte, die ein glückliches Ende haben könnte. Doch die Chancen dafür stehen derzeit schlecht.

Vor 17 Jahren erblickte Yahye Adan Duale in Somalia das Licht der Welt. Die Weltöffentlichkeit sieht schreckliche Bilder aus seinem Land, durch den Kampf von US- und Blauhelmsoldaten mit Milizen erlangt die Hauptstadt Mogadischu traurige Berühmtheit, von einem "failed state" ist die Rede, eine Wendung, die sich bis heute, da eine Hungersnot das Land beutelt, erhalten hat. Als Yahye sechs Jahre alt ist, kommt er bei seiner Tante in Kenia unter. "Ich war dort jeden Tag in der Schule und habe gelernt, gelernt, gelernt." Als seine Tante die Chance sieht, in die USA zu flüchten, kann sie nur ihre eigenen Kinder mitnehmen. Yahye muss mit 11 Jahren zurück nach Somalia. Dort erwartet ihn der Dienst an der Waffe. "Es war ein Schock von einem geregelten Leben mit Schule und Freunden in die Armee zu kommen." Die Wehrpflicht ruft in Somalia dann, wenn die Jungen alt genug sind, um ein Gewehr halten und abfeuern zu können. "Ich lernte in den ersten Monaten, wie man Waffen zerlegt und wieder zusammensetzt - und, dass ich sterben würde, wenn ich dabeibliebe." Die Tante bezahlt von den Vereinigten Staaten aus einen Schlepper, der ihn nach Holland bringen soll. Als der Tag der Flucht bevorsteht, sagt der Mann, die Niederlande seien zu risikoreich, man versuche es über Moskau und von da aus ging es dann weiter mit dem Lastwagen. In Warschau endet die lange Reise vorerst. Yahye Adan Duale beantragt Asyl und es wird ihm gewährt. Doch damit sind längst nicht alle Probleme gelöst. Drei Jahre lebt er auf der Straße, verdingt sich als Musiker, rappt und singt und andere Straßenkinder spielen dazu Gitarre, schließlich lernt er einen Musikproduzenten kennen, es geht voran, doch bald bekommt der Junge Drohungen. Wenn er Musik machen wolle, dann solle er zurück nach Afrika gehen - in Polen sei für einen wie ihn kein Platz. In Warschau hört er aber auch von Frankfurt. Das sei eine weltoffene, eine multikulturelle Stadt, die Fremdenfeindlichkeit nicht kenne. Also macht sich Yayhe ein letztes Mal auf den Weg. Reisen darf er, nur sich in einem anderen Land niederlassen, das verbietet das Recht.

So kommt es, wie es kommen muss. In seinem ersten Jahr in Frankfurt geht Yayhe zur Schule, er lebt nicht mehr auf der Straße, sondern in einem Wohnheim in Ginnheim, er lernt Menschen kennen, die seine Freunde werden und bei der Stadtteilinitiative Koblenzer Straße nimmt er unter seinem Künstlernamen Yaxie im Keller ein Hip-Hop-Album auf, von Frankfurt als City of Success ist darauf die Rede. Und nun fordert ihn der deutsche Staat auf, freiwillig nach Polen zurückzukehren. Dahinter steht die sogenannte Dublin-II-Regelung, die seit 2003 gilt und für einen regen Reiseverkehr von Asylbewerbern sorgt. Jeder Asylsuchende soll im ersten Land, in dem er Zuflucht findet, sein Verfahren auf Asyl durchfechten. Das soll einerseits verhindern, dass abgelehnte Asylsuchende in anderen EU-Ländern ihr Glück versuchen. Andererseits sorgt es dafür, dass einige Asylsuchende schlicht wieder zurück in ihre Heimatländer geschickt werden - ungeachtet der dortigen Situation. Und es sorgt dafür, dass Flüchtlinge in EU-Länder abgeschoben werden, in denen ihnen keine adäquaten Unterbringungen oder soziale Leistungen zugute kommen. Die Organisation Pro Asyl, die am Freitagabend ihr 25-jähriges Bestehen feiert, nennt das Dublin-Verfahren schlicht "unfair, inhuman, ineffizient, ressourcenintensiv". Weiter heißt bei Pro Asyl: "Die Dublin II-Verordnung verbietet es Flüchtlingen, sich den Staat, in dem sie ein Asylverfahren durchlaufen wollen, selbst auszusuchen. In der Praxis führt dies zu einer Illegalisierung der Flüchtlinge. Um nicht in das Asylverfahren eines Staates gedrängt zu werden, in dem sie keine Chancen für ihre Zukunft sehen, ziehen es viele Flüchtlinge vor, sich »illegal« durchzuschlagen. Dies birgt hohe Risiken für Schutzsuchende. Werden sie aufgegriffen, droht ihnen die sofortige Abschiebung."

Yahye Adan Duale hat seine Entscheidung getroffen. Nach Polen möchte er nicht zurück: "Ich habe Angst vor dem Leben dort. Was ich möchte, ist in Frankfurt bleiben für den Rest meines Lebens", sagt er. 2500 Unterschriften hat die Stadtteilinitiative bereits gesammelt und beim Petitionsausschuss im Landtag eingereicht. Dass der Antrag dort zugunsten von Yahye entschieden wird, ist unwahrscheinlich. Danach kann noch eine Härtefallkommission entscheiden, kommt sie zum selben Schluss, dann müsste Yayhe zurück nach Warschau. "Ich bin dabei mir hier eine Existenz aufzubauen, ich will die Sprache richtig lernen", sagt er. Dann fügt er hinzu: "Ich habe hier ein Zuhause gefunden."

>> 25 Jahre Pro Asyl (und 6 Jahre Das Bett)
Schmidtstraße 12, Beginn 20.30 Uhr - vor dem Konzert werden Unterschriften gegen die Abschiebung von Yahye Adan Duale gesammelt.

Siehe dazu auch das Interview mit Heinz Ratz von der Band "Strom & Wasser".
 
2. September 2011, 11.26 Uhr
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